Archiv für Oktober 2012

Sicher oder Falsch ?

30 Oktober 2012

Am vergangenen Dienstag teilte die Bundesbank die neuesten Zahlen zur Entwicklung des Geldvermögens der privaten Haushalte mit. Mit 4,811 Billionen Euro, verfügten die Deutschen zum Stichtag am 30.06.2012 über 2,2% mehr an Guthaben, als ein Jahr zuvor. Bevor wir uns weiteren Details widmen,  ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher: Vor 10 Jahren lag das Geldvermögen bei 3,610 Billionen Euro und vor 20 Jahren umgerechnet bei 1,926 Billionen Euro. Die, die im Mathematikunterricht aufgepasst haben, können schnell ausrechnen, dass das einem Zuwachs von 33% in den letzten 10 Jahren bzw. 149% in den letzten 20 Jahren entspricht. Nicht nur das geschulte Auge sieht an diesen Zahlen sofort, dass es wohl in der Zeit von 1992 – 2002 leichter war Geld erfolgreich anzulegen, als in den letzten 10 Jahren (von 2002 – 2012). Das liegt aber beileibe nicht an der Einführung des EURO, sondern schlicht und einfach darin, daß in den 90er Jahren die Zinsen deutlich höher waren und das auch eine Zeit war, in der die Börsenkurse (ja das gab es tatsächlich auch damals !) gestiegen sind. Allerdings sind die 4,811 Billionen Euro nichts als eine nackte Zahl, deren Aussagekraft doch sehr eingeschränkt ist. Das fängt schon damit an, dass das „pro-Kopf-Vermögen“ zwar durchschnittlich bei knapp 57.000 € liegt, aber wahrscheinlich weit weniger als 10% unserer Bevölkerung über ein Geldvermögen zwischen 40.000 und 80.000 € verfügen. Das „Manager-Magazin veröffentlichte ebenfalls in der vergangenen Woche die Liste der 500 reichsten Deutschen Mit 150 Mio. € geschätztem Vermögen schaffte es übrigens die „Lichtgestalt des deutschen Fussballs“, ein gewisser Franz B., gerade noch als letzter auf diese Rangliste zu klettern. Von einer Gauß’schen Normalverteilung sind wir in diesem Bereich weit entfernt, da es wenige Leute gibt, die über viel Geld verfügen und viele Leute, die wenig Geld haben. Ob das gerecht oder ungerecht ist, ob die Guthaben stärker besteuert werden sollen um die wachsende Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen sind sicherlich abendfüllende Themen, die in regelmäßigen Abständen in den Talkshows dieser Republik diskutiert werden. Weitere wichtige Punkte die in der Kennzahl „Geldvermögen“ außen vor bleiben, sind die private Verschuldung, die man natürlich von den Guthaben abziehen muss, aber auch Vermögenswerte wie Immobilien, Kunstwerke oder auch ganz banaler Hausrat und der private Fuhrpark sind nicht erfasst. Für mich die wichtigste Kennzahl überhaupt sind Versorgungsansprüche. Für eine lebenslange Rente in Höhe von 2.000 € mtl. reicht einem in finanziellen Dingen unbedarften Anleger in der heutigen Zeit nicht mal ein Kapitalstock von 1 Mio. €, um aus den Erträgen eine solche Rente zu finanzieren. Der Begriff „Langlebigkeitsrisiko“ wird in diesem Zusammenhang in den kommenden Jahren zu einem geflügelten Wort werden. Umso unverständlicher ist für mich die ja fast schon traditionelle Aufteilung dieses „Geldkuchens“ . Die beliebtesten Anlageformen sind nach wie vor Spareinlagen (obwohl es dort kaum noch Zinsen gibt), Versicherungen (dazu ist an dieser Stelle genug gesagt worden) und Bausparverträge (wofür braucht man bei Hypothekenzinsen von 2.-3% eigentlich sowas ?).  Mit allen drei Anlageformen ist man „auf der sicheren Seite“ oder sollte man besser sagen: „Auf der falschen ?“. Nämlich bei einer Nachsteuer-Rendite, die definitiv unterhalb der Inflationsrate liegt (auch wenn diese nach wie vor im Bereich von 2% verharrt). Also Leute, lasst das Geld nicht faul in der Sonne liegen ! Das Geld muss arbeiten, am besten rund um die Uhr in den besten und größten Unternehmen dieser Welt. So machen es zumindest die meisten „Geldsäcke“ auf der TOP 500 Liste. Die größte Vermögensposition bei diesen Leuten sind Anteile an Unternehmen (bevorzugt an dem eigenen). Aktien (oder die breitere Streuung über Investmentfonds) heisst das Zauberwort.

Übrigens: Bei den Italienern liegt das pro-Kopf-Vermögen mit 58.000 € um knapp 1.000 € höher als bei uns. Nicht nur das muss sich bis 2014 ändern.

 

Von Witten nach Wehen

23 Oktober 2012

In Deutschland gibt es ca. 300 Unternehmen, die in der Rechtsform eines sogenannten „Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit“ (VVaG) firmieren. Ganz grob kann man diese Institutionen dahingehend definieren, dass es sich eher um einen „Verein“ , als um ein „Unternehmen“ handelt. Das Online-Lexikon Wikipedia definiert von daher die Roll der VVaGs in Deutschland auch als „sehr bodenständige lokale Versicherer, die von kleinen Gruppen von Versicherungsnehmern zum direkten gegenseitigen Nutzen betrieben werden.“ Immerhin bildet diese Gruppe ca. ¼  des gesamten deutschen Versicherungsmarktes ab. Aber nicht nur die Großen, wie die Ergo-Gruppe werden von Skandalen gebeutelt, In der vergangenen Woche rückte auch ein Fall bei der kleinen „Wittener Sterbekasse“ für einige „Insider“ ins Rampenlicht. Die Sterbekasse Witten hat ca. 7.500 Mitglieder (oder besser gesagt: „Kunden“), die bei diesem Verein eine Lebens-  bzw. Sterbeversicherung abgeschlossen haben. Der dortige Geschäftsführer musste im Jahr 2011 seinen Hut nehmen, nachdem diverse Unregelmäßigkeiten aufgetaucht waren. Ein Bericht zu diesen Vorgängen aus der WAZ vom 20. März diesen Jahres liest sich, wie ein Relikt aus den 50er oder 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Viele – der wohl oft älteren – Beitragszahler, haben Ihren Monats bzw. Jahresbeitrag noch in bar im Büro des Vereins dem Geschäftsführer übergeben. Und der hatte wohl die „kleine Schwäche“ nicht so recht die Begriffe „Mein“ und „Dein“ zu unterscheiden. Jedenfalls klaffte in der Kasse des Vereins ein mehr oder weniger großes Loch. Mittlerweile geht die Staatsanwaltschaft von ca. 1 Mio. € aus, was gut 25% des Gesamtvermögens dieser „Klitsche“ darstellt. Dem Kassierer des Vereins fiel irgendwann im Jahr 2011 dann auf, dass irgendetwas nicht stimmen konnte und er vertraute sich der Versicherungsaufsicht an, die dann flugs einen Prüftrupp nach Witten schickte. Als die Prüfer die Kassenbestände sehen wollten, hiess es „er habe den Schlüssel gerade nicht greifbar und müsse ihn erst zu Hause holen.“ Und jetzt wird diese „Slaptstick-Nummer“ erst richtig krass: Statt nach Hause fuhr der Geschäftsführer zur Bank, hob einen 6-stelligen Betrag vom Vereinskonto ab und präsentierte diesen den Prüfern als „Bargeldbestand“ die daraufhin zufrieden wieder abzogen. Bei solchen „Aufsehern“ kann ich allen Versicherungskunden nur sagen: „Weiterhin viel Spass und schlafen Sie gut.“ Irgendwann kam man dem Betrüger dann doch auf die Schliche und die darauf folgenden Statements der Verantwortlichen kommen mir irgendwie bekannt vor. Alle Auszahlungen seien gesichert und die Kunden der Sterbekasse Witten halten ihrem Verein nach Angaben eines Sprechers nach wie vor die Treue. „Na Prima !“ kann man da nur sagen:  Ein Viertel des Vereinsvermögens haben Sie sich klauen lassen, aber es wird weiter brav eingezahlt, „weil wir das ja schon immer so gemacht haben.“ Der WAZ-Bericht schliesst mit dem Bonmot „Nach Bekanntwerden der Vorwürfe setzte sich der Mann nach Hessen ab (ja, die meinen unser „Hessen“ !) und soll dort mittlerweile als Trainer eines Fussballvereins tätig sein. „Na ja, was soll uns das hier interessieren ?“, denkt vielleicht der ein oder andere, aber jetzt wird’s erst richtig spannend: Besagter Fussballverein ist nämlich nicht der Tabellenachte der Kreisliga C Offenbach-Ost, sondern es handelt sich hierbei um den hessischen Spitzenclub und Drittligisten SV Wehen-Wiesbaden. Und der mutmaßliche Betrüger fungierte dort bis letzte Woche etwa nicht als Betreuer der Bambinis, sondern als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, einer vom Deutschen Fussball-Bund zertifizierten Fussball-Akademie, die man durchaus neben der Jugendabteilung der Frankfurter Eintracht als das Beste, was es in diesem Bereich in Hessen gibt, einordnen kann. Auf der Homepage des SV Wehen findet man den Leitsatz: „Das übergeordnete Ziel einer jeden Jugendarbeit muss sein, die Kinder in allen Lebensbereichen zu begleiten, zu stärken und in ihrer charakterlichen Entwicklung positiv zu unterstützen.“ Im Nachhinein ist es natürlich immer leicht, den Zeigefinger zu heben. Aber die Frage an die Verantwortlichen in Wehen muss erlaubt sein:  Wie kann in der heutigen vernetzten Welt so etwas passieren ?  Nicht nur ich habe mich bereits im letzten Jahr gewundert „Warum gibt einer einen Job bei Borussia Mönchengladbach auf (dort war der besagte Mann nämlich vorher in gleicher Funktion tätig) und heuert beim SV Wehen an ?“ Im Nachhinein wirft das natürlich auch auf alle Beteiligten am Bökelberg kein gutes Licht. Ich bin überzeugt: Einem Uli Hoeness und auch einem Heribert Bruchhagen wäre das nicht passiert. Da hätte der Buschfunk vorher ein SOS-Signal gesendet.

Keine Angst vorm schwarzen Montag

17 Oktober 2012

Am 19. Oktober 2012 jährt sich zum 25. Mal der sogenannte „schwarze Montag“, der Tag, der uns den bisher größten prozentualen Kursverlust an der Börse in den USA bescherte und den legendären „schwarzen Freitag“  aus dem Jahr 1929, der ja eigentlich ein Donnerstag war, deutlich in den Schatten stellte.

An diesem Tag verlor der Dow-Jones-Index 22,61%, d.h. mehr als ein Fünftel der Börsenbewertung wurde innerhalb einer Sitzung ausradiert. Wir reden hier wohlgemerkt nicht über börsennotierte Unternehmen wie z.B. die Sektkellerei Wachenheim AG, die Regenbogen AG und die Halloren Schokoladenfabrik AG, wo an durchschnittlichen Tagen Aktien im Gegenwert von  50.000 € gehandelt werden und wenn einer der Großaktionäre seiner Frau ein neues Kleid kaufen muss, sich das sofort in einem entsprechenden Minus beim Kurs niederschlägt. Hier handelte es sich vielmehr um die Cremé de la Cremé der amerikanischen Wirtschaft – angeführt damals von General Electric, IBM, Coca Cola und McDonald’s. 58 Jahre vorher – das kannten wir bis dahin ja nur aus den Geschichtsbüchern – lag der Tagesverlust „nur“ bei 12,82%. Dafür „rummste“ es damals am nächsten Tag gleich nochmal um 11,73% nach unten. Während es in den 20er Jahren noch einen Tag dauerte, bis das Kursdebakel in Europa bekannt wurde, und die europäischen Börsen ebenfalls mit deutlichen Kursverlusten reagierten, waren die Kursinformationen in 1987 schon immerhin soweit fortgeschritten, dass die Tagesschau bzw. die Tagesthemen im Stundentakt über die neueste Entwicklung informierten. Internet und Bloomberg,  bzw. n-tv gab es damals noch nicht. Einmal täglich wurden mittags um 14:05 im Radio beim hessischen Rundfunk die aktuellen Kurse verlesen. Wenn man diese Sendung verpasst hatte musste man bis zum nächsten Morgen auf die Zeitung warten oder man konnte sich unter dem „Börsentelefon“ 01168 (gibt’s das eigentlich noch ?) eine Bandansage abhören. Und es gab damals tatsächlich noch „Kursaushänge“ in den Schaufenstern der Bank. Anstelle eines „Mausklicks“ mussten gelbe Zettel für den Kauf und rote Zettel für den Verkauf ausgefüllt werden. Während der „Börsencrash“ 1929 die schwerste wirtschaftliche Krise, die wir in den letzten 200 Jahren gesehen haben ,auslöste, waren die Turbulenzen im Jahr 1987 im Nachhinein nur ein – mehr oder weniger – kleiner Rücksetzer in der Aufwärtsbewegung, die 1982 begonnen hatte und bis ins Jahr 2000 andauerte. Wenn man in den Lehr- bzw. Geschichtsbüchern die Unterschiede beider Krisen analysiert, fällt ein gravierender Punkt sofort ins Auge. 1987 öffneten die Notenbanken die Geldschleusen und senkten weltweit die Zinsen, während in der Krise 1929-1933 die Notenbanken genau das Gegenteil taten, nämlich für eine Geldverknappung sorgten. Diese Lektion haben die Verantwortlichen, die an den Geldschleusen sitzen offenbar sehr gut verstanden, wird sie doch in der aktuellen Krise genauso gehandhabt. Kommen wir zu der Frage, die alle bewegt: „Kann sich so etwas wiederholen ?“ Die Antwort darauf lautet: „Ja, an der Börse ist alles möglich !“

Mittlerweile gibt es zwar sogenannte „Volatilitätsunterbrechungen“, d.h. wenn die Kurse zu stark schwanken, wird der Börsenhandel vorübergehend eingestellt, aber dann holt der Markt sich den „Skalp“ der Anleger eben am nächsten oder am übernächsten Tag.

Der entscheidende Punkt ist und bleibt aber, wie man denn als Anleger mit einer solchen Situation umgeht. In der Aussage „Ja, es kann sich wiederholen“ liegt der eigentliche Hauptgrund dafür, dass ich als Anleger nur Geld in Aktien stecken darf, dass ich in den nächsten 2,3 oder besser 10 Jahren nicht brauche. Und auch 1987 war es der Fall, dass die Kurse diesen Verlust von über 20% bereits 15 Monate später wieder aufgeholt hatten. Und wer in einer solchen Krisensituation verkaufen muss, weil er das Geld braucht, schaut dann wehmütig dem fahrenden Zug hinterher, wenn es wieder nach oben geht. Im Nachhinein waren solche Situationen immer Prima-Kaufgelegenheiten. Wenn da nur nicht die Psychologie und die Nerven wären. Sie finden in einer solchen Situation nur ganz, ganz wenige Stimmen, die über Chancen reden. Die Zeitungen sind voll von Negativmeldungen „wie schlimm denn alles wird“. Die „ganz Schlauen“, die mehr oder weniger ständig von Crash-Szenarien reden, haben in solchen Situationen keine braunen Streifen in der Unterhose,  bei dem ein oder anderen findet man dann ganze Meteoriten darin. Um es in der Jahrmarktsprache zu sagen:  „Wer die Nerven für die Achterbahn nicht hat, muss halt mit dem Karussell fahren“. Aber wenn ich auf dem Karussell sitze, darf ich nicht neidisch sein, dass die Leute auf der Achterbahn die bessere Aussicht haben. Dass die Achterbahnfahrer im – Gegensatz zum Jahrmarkt – an der Börse immer höher aussteigen als einsteigen steht auf einem anderen Blatt. Man muss nur lange genug mitfahren,

„Und wenn die Stern vom Himmel falle…

10 Oktober 2012

…die Brecher Kermes wird gehalle“ lautet im „Goldenen Grund“ das Motto dieses Wochenendes.

Bei diesem Spruch werden bei mir immer Erinnerungen an den Herbst 2008 wach. Ist zwar schon lange her, aber trotzdem nochmal zur Erinnerung. Am Morgen des 15. September 2008 lief die Nachricht über die Ticker, dass die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite ist. Manch einer hat dann erst Wochen später realisiert, was es denn bedeutet, wenn ich ein „Zertifikat“ auf einen „Aktienbasket“ habe, der „Aktienbasket“ seinen Wert behalten hat, aber der „Emittent“ (falls es Lehman war) pleite ist. Die Kapitalmärkte verharrten 2 Wochen in Schockstarre. Als aber absehbar wurde, dass das Ganze nicht nur ein „Lehman-Problem“ ist und Kanzlerin Merkel mit ernster Miene zusammen mit dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück vor die Kameras trat und verkündete „Ihre Sparguthaben sind sicher“, brachen dann in der ersten Oktoberwoche alle Dämme. Innerhalb von einer Woche fiel der DAX von 6.000 auf 4.500 Punkte, d.h. 25% des Börsenwerts der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften hatte sich in Luft aufgelöst. Der Ruf der ganzen Finanzbranche wurde damals in wenigen Tagen derart ramponiert, dass die Nachwirkungen bis heute noch andauern. Warum schreibe ich das ? Zum einen, weil man mittlerweile mit 4 Jahren Abstand schon das ein oder andere aus diesen Vorgängen analysieren kann. Im Prinzip haben Notenbanken und Politik in einer gemeinsamen, konzertierten Aktion den Karren wieder aus dem Dreck gezogen. Mit dem Preis, dass wir heute in Bezug auf die Bonität von Staatsanleihen eine völlig andere Welt als noch vor 4 Jahren haben. Aber alle Beteiligten hatten keine andere Wahl. Die Schuldigen, auch das ist im Nachhinein klar, sind nicht pauschal alle Finanzleute, sondern es sind die, die sich von einem Boom (in diesem Fall der Immobilienmarkt in den USA, UK und den Südländern) haben blenden lassen. Sogenannte „Bubbles“ (Preisblasen) gab es immer wieder in der Geschichte. Angefangen mit den Tulpenzwiebeln in Amsterdam im 17. Jahrhundert. Und immer wenn eine Blase platzt, werden ein paar Umstehende nass. Das Problem an der Situation im Jahr 2008 war, dass niemand abschätzen konnte, wie groß denn dieses Mal die Blase ist. Von daher mussten möglichst große Rettungsschirme aufgespannt werden, um sicherzustellen, dass sich die Welt auch nach dem Platzen dieser Immobilienblase weiter dreht (und die Sterne eben nicht vom Himmel fallen!). Das Motto der Kirmes 2008 in Niederbrechen wurde denn auch kurzerhand von den Kirmesburschen dahingehend umgewandelt:  „Auch wenn die Aktien falle, die Kermes werd gehalle“. Dass auf Ihren Trikots der Schriftzug eines Aktienprodukts Ihres Sponsors das ganze Wochenende leuchtete, haben die wenigsten der Buben wohl realisiert. Heute sehe ich das entspannt, damals hat mich das maßlos geärgert. Ärgern können sich heute diejenigen, die damals Ihr Geld aus Aktien abgezogen haben und auf das von Frau Merkel und Herrn Steinbrück so sicher gepriesene Sparbuch gelegt haben. Seit dem Oktober 2008 hat der DAX nämlich um gut 50% wieder zugelegt. Und alle, die noch vor dem 01.01.2009 investiert haben, können  sich doppelt freuen, da diese Gewinn steuerfrei sind (und es auch künftig bleiben !).  Von den Sternen auf den harten Boden der Realität zurück geholt wurden in der vergangen Woche auch eine Reihe von Führungskräften der ERGO-Versicherung. Haben Sie einen Vertrag, wo Hamburg-Mannheimer oder Victoria drauf steht ? Nicht nur dann sollten Sie sich Gedanken machen, ob es in der heutigen Zeit wirklich Sinn macht solchen Leuten (und ich bin mir sicher in naher Zukunft darf ich die auch ganz offiziell als „Betrüger“ bezeichnen) weiterhin sein Geld anzuvertrauen. Dass auf Kosten der Versicherten eine große, bezeichnen wir das mal als „Party mit professionellen Damen“, gefeiert wird, ist wahrscheinlich kein Einzelfall und ich bin gespannt darauf, was in den kommenden Monaten da noch alles ans Licht kommt. Dass aber Tausende von Riester-Kunden systematisch beschissen werden, indem den Verträgen höhere Kosten aufgebürdet werden, als es im Kleingedruckten steht ,   (und das Ganze den Verantwortlichen bekannt ist !), ist in meinen Augen kriminell und seit vergangener Woche hat sich (endlich !) auch die Staatsanwaltschaft in Hamburg diesen Vorgängen angenommen.

Das ganze Modell „Lebensversicherung“ gehört auf den Prüfstand.  Wenn ich sehe, mit welchem Schreibkram und allen möglichen Risikobelehrungen sich jeder Bankberater, der seinem Kunden einen Investmentfonds verkaufen will, herumplagen muss. Jeder „Furz“, der auf fremde Kosten gelassen wird, muss hier detailliert aufgelistet werden Bei einer Lebensversicherung unterschreibt der Anleger einen Vertrag  über 30 Jahre und länger, wo die Versicherung nach Belieben Kosten und Gebühren verteilen kann. Wenn in dieser Form bei einer Lebensversicherung auf alle Kosten und Risiken hingewiesen wird, unterschreibt das bei klarem Verstand kein Mensch mehr und die Gesellschaften können Ihren Geschäftsbetrieb einstellen. Bevor ich mein Geld in so einer Anlageform „versenke“, setze ich das lieber an der Kirmestheke um ! Aber es gibt ja – Gott sei Dank – auch andere Alternativen. Übrigens: An jenem Kirmesmontag im Oktober 2008 verzeichnete der DAX mit + 11,4% den größten täglichen Kursanstieg aller Zeiten. Das ist doch mal ein schönes Jubiläum auf das man anstossen kann.

 

 

Oans, zwoa, fortg‘schütt

2 Oktober 2012

Seit gut 14 Tagen heisst es wieder „O’zapft is“ beim 179. Münchner Oktoberfest. Bis zum Sonntag werden gut 6 Mio. Besucher das Wies’n-Gelände aufgesucht haben. Die insgesamt 14 riesigen Zelte bieten 71.508 Sitzplätze im Innenbereich und (bei schönem Wetter) auch nochmal 30.100 Plätze im Außenbereich. Dazu kommen noch zahlreiche kleinere „Locations“ auf dem Gelände, in denen zusammen ebenfalls nochmals gut 5.000 Menschen Platz finden. Trotz dieser riesigen Ausmaße hat sich mir als erfahrenem Wiesn-Experten, der jedes Jahr traditionsgemäß mit Hirsch-Lederhose und Haferlschuhen anreist, dieses Jahr der Eindruck der letzten Jahre verstärkt, der da lautet „Es wird immer voller.“ Und die viel zu vielen Leute, die sich in, an und um die Zelte drängeln, sind‘s auch. Unser mitgereister Mathematik-Student u. Debütant Simon Schneider, der sich sonst mit komplizierten Algebra-Formeln und Ableitungen 3. Grades beschäftigt, brachte es mit dem lapidaren Satz „Die Hälfte der Leute hätte es auch getan“ auf den Punkt. Aber der Rubel muss rollen bei den Festwirten und eine der wichtigsten Regeln im Zelt kennen wir aus der Werbung der genossenschaftlichen Banken:  „Wir  machen den Weg frei ! Und zwar für die Kellner.“  Insgesamt sieben Millionen Maß müssen schließlich an die Tische der durstigen Gäste gebracht werden. Da gilt es keine Zeit zu verlieren. Und wer einmal im Weg gestanden hat, dem passiert das garantiert kein zweites Mal. Aber es bleibt die große Preisfrage: Wie viele dieser sieben Millionen Maß – im Gegenwert von gut 70 Millionen Euro – werden denn überhaupt getrunken ?

Das reizt natürlich, wenn Mathematik-Experten am Tisch sitzen, zu ein paar kleinen Rechenspielchen.

Zunächst einmal ist unzweifelsfrei zu sagen, dass sich trotz aller gegenteiligen Beteuerungen im Schnitt nicht 1 Liter, sondern maximal 0,9, wahrscheinlich nur 0,85 Liter Bier im Maßkrug befinden.

Das macht dann schon mal die ersten 10 Mio. außerordentlichen Gewinn für die Wirtsleute. Wenn man dann zu vorgerückter Stunde sieht, was die emsigen Bedienungen dann an vollen oder halbvollen Bierkrügen – und wir reden hier nicht über das übliche „Noagerl“, d.h. den Rest, den man im Glas lässt – wieder von den Tischen wegräumen, ging unsere Schätzung dann in Richtung von weiteren 10-15% der Ausschankware, die in den Gully gekippt wird. Also umgerechnet weitere 7-10 Mio. € für die nicht gilt „Oans, zwoa g‘suffa“ sondern „Oans, zwoa, fortg‘schütt.“ Da soll einer noch sagen, dem Großteil der Menschen in diesem Land geht es nicht gut. Und das abgestandene Bier kann den Wirten egal sein, es ist ja bezahlt. Ausschließen kann ich definitv, dass das abgestandene Bier nicht durch einen geübten Zapfer mit einem kleinen „Frischmacher-Schuss“ wieder in einen optisch trinkbaren Zustand versetzt wird. Dafür sind die ganzen Abläufe zu sehr durchorganisiert. Maximale Marge in 16 Tagen, so kann man wohl das eigentliche Motto des größten Volksfestes der Welt beschreiben.

Dazu kommt, dass die Wiesnwirte sich nicht unbedingt als Hüter der Inflation aufspielen. Seit Einführung des Euros im Jahr 2002 stieg der Preis für eine Maß im Schnitt von 6,60 € auf 9,30 €  und damit um 41%, während der Verbraucher-Preis-Index (VPI) im gleichen Zeitraum nur um 18% gestiegen ist. Ich bin mir sicher, dass man sich auf dieses Missverhältnis auch in den kommenden 10 Jahren verlassen kann. „The trend is your friend“ lautet ein altes Börsen-Sprichwort, das auch hier Gültigkeit hat. . Ein weiteres Sprichwort der Börsianer lautet:  „Remember, to come back in September“. Das gilt trotz allem dann wohl auch für die Wiesn 2013.

Mehr zum Thema „Mein Freund der Trend“ und was es mit dem September an der Börse auf sich hat in der aktuellen Folge von „Neues aus dem Tower-TV“ ab diesem Freitag um 18 Uhr auf WW-TV bzw. auf www.medienerleben.de