Seit gut 14 Tagen heisst es wieder „O’zapft is“ beim 179. Münchner Oktoberfest. Bis zum Sonntag werden gut 6 Mio. Besucher das Wies’n-Gelände aufgesucht haben. Die insgesamt 14 riesigen Zelte bieten 71.508 Sitzplätze im Innenbereich und (bei schönem Wetter) auch nochmal 30.100 Plätze im Außenbereich. Dazu kommen noch zahlreiche kleinere „Locations“ auf dem Gelände, in denen zusammen ebenfalls nochmals gut 5.000 Menschen Platz finden. Trotz dieser riesigen Ausmaße hat sich mir als erfahrenem Wiesn-Experten, der jedes Jahr traditionsgemäß mit Hirsch-Lederhose und Haferlschuhen anreist, dieses Jahr der Eindruck der letzten Jahre verstärkt, der da lautet „Es wird immer voller.“ Und die viel zu vielen Leute, die sich in, an und um die Zelte drängeln, sind‘s auch. Unser mitgereister Mathematik-Student u. Debütant Simon Schneider, der sich sonst mit komplizierten Algebra-Formeln und Ableitungen 3. Grades beschäftigt, brachte es mit dem lapidaren Satz „Die Hälfte der Leute hätte es auch getan“ auf den Punkt. Aber der Rubel muss rollen bei den Festwirten und eine der wichtigsten Regeln im Zelt kennen wir aus der Werbung der genossenschaftlichen Banken: „Wir machen den Weg frei ! Und zwar für die Kellner.“ Insgesamt sieben Millionen Maß müssen schließlich an die Tische der durstigen Gäste gebracht werden. Da gilt es keine Zeit zu verlieren. Und wer einmal im Weg gestanden hat, dem passiert das garantiert kein zweites Mal. Aber es bleibt die große Preisfrage: Wie viele dieser sieben Millionen Maß – im Gegenwert von gut 70 Millionen Euro – werden denn überhaupt getrunken ?
Das reizt natürlich, wenn Mathematik-Experten am Tisch sitzen, zu ein paar kleinen Rechenspielchen.
Zunächst einmal ist unzweifelsfrei zu sagen, dass sich trotz aller gegenteiligen Beteuerungen im Schnitt nicht 1 Liter, sondern maximal 0,9, wahrscheinlich nur 0,85 Liter Bier im Maßkrug befinden.
Das macht dann schon mal die ersten 10 Mio. außerordentlichen Gewinn für die Wirtsleute. Wenn man dann zu vorgerückter Stunde sieht, was die emsigen Bedienungen dann an vollen oder halbvollen Bierkrügen – und wir reden hier nicht über das übliche „Noagerl“, d.h. den Rest, den man im Glas lässt – wieder von den Tischen wegräumen, ging unsere Schätzung dann in Richtung von weiteren 10-15% der Ausschankware, die in den Gully gekippt wird. Also umgerechnet weitere 7-10 Mio. € für die nicht gilt „Oans, zwoa g‘suffa“ sondern „Oans, zwoa, fortg‘schütt.“ Da soll einer noch sagen, dem Großteil der Menschen in diesem Land geht es nicht gut. Und das abgestandene Bier kann den Wirten egal sein, es ist ja bezahlt. Ausschließen kann ich definitv, dass das abgestandene Bier nicht durch einen geübten Zapfer mit einem kleinen „Frischmacher-Schuss“ wieder in einen optisch trinkbaren Zustand versetzt wird. Dafür sind die ganzen Abläufe zu sehr durchorganisiert. Maximale Marge in 16 Tagen, so kann man wohl das eigentliche Motto des größten Volksfestes der Welt beschreiben.
Dazu kommt, dass die Wiesnwirte sich nicht unbedingt als Hüter der Inflation aufspielen. Seit Einführung des Euros im Jahr 2002 stieg der Preis für eine Maß im Schnitt von 6,60 € auf 9,30 € und damit um 41%, während der Verbraucher-Preis-Index (VPI) im gleichen Zeitraum nur um 18% gestiegen ist. Ich bin mir sicher, dass man sich auf dieses Missverhältnis auch in den kommenden 10 Jahren verlassen kann. „The trend is your friend“ lautet ein altes Börsen-Sprichwort, das auch hier Gültigkeit hat. . Ein weiteres Sprichwort der Börsianer lautet: „Remember, to come back in September“. Das gilt trotz allem dann wohl auch für die Wiesn 2013.
Mehr zum Thema „Mein Freund der Trend“ und was es mit dem September an der Börse auf sich hat in der aktuellen Folge von „Neues aus dem Tower-TV“ ab diesem Freitag um 18 Uhr auf WW-TV bzw. auf www.medienerleben.de