Archiv für Dezember 2012

Finale á Casa

19 Dezember 2012

Weihnachten steht vor der Tür und an den Finanzmärkten ist, was das Jahr 2012 betrifft, der „Drops weitgehend gelutscht“. Wie immer gibt es in einer Rückschau Gewinner und Verlierer, wobei das Jahr 2012 sicherlich als eines der besseren Jahre in die Börsen-Geschichte eingehen wird. Mit einem Anstieg von knapp 2.000 Punkten (was etwa 30% entspricht) ist der DAX in diesem Jahr überdurchschnittlich gestiegen, aber es wurde nach den mageren Ergebnissen der letzten Jahre ja auch mal wieder Zeit. Ich hoffe für Sie, liebe Leser, dass sie sich auch über diese Entwicklung freuen können und etwas davon profitiert haben. Schließlich war es in diesem Jahr ja recht einfach. Man musste nur das Klingeln des Börsenmannes Ende Januar an dieser Stelle registrieren und einfach mal etwas riskieren. Überhaupt war es im Jahr 2012 schwer mit Anlagen Geld zu verlieren. Ob Aktien, Anleihen oder Immobilien, überall waren steigende Preise zu verzeichnen. Die klaren Verlierer des Jahres 2012 sitzen für mich auf der „Angsthasen-Seite“. Alle Zauderer, die sich von den Negativ-Szenarien haben verrückt machen lassen und weiter auf „Kasse“ und „Festgeld“ gesetzt haben, müssen sich mit Mini-Renditen um die 1% zufrieden geben. Aber Rückschau ist immer einfach, und der Herr „Hätt ich“ und Frau „Wenn ich“ liefern uns keine konkreten Anlageempfehlungen für die Zukunft. Für mich ist die wichtigste Erkenntnis des Jahres 2012: „Der risikolose Zins ist tot“. Es gibt keine Chance mehr 5%pro Jahr (oder mehr) ohne jedes Risiko zu erwirtschaften. Darüber muss sich jeder Sparer oder Investor im Klaren sein. Die Kunst des erfolgreichen Anlegens in der Zukunft besteht darin, Risiken gescheit zu managen bzw. einzugrenzen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass „Geld anlegen“ in Zukunft eine noch schwierigere und anspruchsvollere Aufgabe darstellt, als es schon immer war. Und man muss kein Prophet sein, dass die Akteure in der Finanzbranche durch die niedrigen Zinsen vor einer sehr harten Zukunft stehen. Bei einem risikolosen Zins von 8% beschwert sich kein Mensch, wenn er 1% davon für die Verwaltung seines Vermögens bezahlen muss. Bei einem Zinssatz von 1% fällt das aber sehr wohl ins Gewicht, wobei der Aufwand für die Verwaltung das Gleiche ist. Nur eine gewisse Größe an verwaltetem Vermögen sorgt hier künftig dafür, dass die Anbieter weiter existieren können. Obwohl das Finanzwissen der Deutschen in vielen Bereichen ausbaufähig ist, um nicht zu sagen, dass wir es mit einem hohen Grad an „Analphabetentum in Finanzfragen“ zu tun haben, hat die Finanzkrise seit 2008 und deren öffentliche Wahrnehmung dafür gesorgt, daß mittlerweile viele Angebote kritisch hinterfragt werden. Hier leistet das Internet genauso wie bei der Urlaubssuche oder der klassischen „2 Uhr Nachts-Thekenfrage“ – Wer verschoss im Europokalfinale 1984 den entscheidenden Elfmeter ? – mittlerweile wertvolle Dienste. „Kommissar Google“ hat mir auch in dieser Woche wieder einen Fall geliefert, der – wohl typisch für das Jahr 2012 –  die Geschäftsgebaren von deutschen „Vorsorge-Instituten“ wieder einmal eindrucksvoll beleuchtet. Das „Handelsblatt“ berichtete diese Woche, dass die Bausparkasse „Wüstenrot“ mit einer Kampagne unter dem Titel „Kampf um Gold“ ihre Vertreter dazu anspornt, hochverzinsliche Alt-Verträge  (da gibt es tatsächlich noch bis zu 4% „sichere“ Guthabenzinsen) aufzulösen und gegen eine Einmalprämie in einen niedrig verzinslichen Tarif zu wechseln. Mehr als 700.000 Kunden (!) sollen auf diesen Beschiss reingefallen sein und in der Summe Zinsverluste von über 700 Millionen € erlitten haben. Mit solchen Aktionen beschleunigen diese Dinosaurier ihren eigenen Untergang und aus „Wüstenrot“ wird „Wüstentod“. Für mich ohnehin die Verlierer des Jahres 2012.

 

Apropos 1984: Es war die italienische Stürmerlegende Francesco Graziani, damals in Diensten des AS Rom im Finale gegen den FC Liverpool. Nach regulärer Spielzeit stand es übrigens 1:1. Und gespielt wurde in ? Richtig: Rom – „Finale a casa“. Liebe Bayern-Fans, alles schon mal dagewesen. Ich wünsche Ihnen allen frohe und erholsame Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2013.

 

 

 

Die letzte Injektion

5 Dezember 2012

Normalerweise werden unbequeme Gesetze ja gerne kurz vor dem Beginn von „wichtigen“ Fussballspielen im Bundestag durchgepeitscht, wenn sich eh nur noch eine Handvoll Parlamentarier im Plenum befindet. Frei nach dem Motto: „Am besten kriegen das die meisten Betroffenen gar nicht mit, welches Ei wir Ihnen da ins Nest legen.“ Mit der am 8. November beschlossenen Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes haben unsere Volksvertreter einen eindrucksvollen Beweis dafür geliefert, dass die alte Grundregel „erst nachdenken – dann entscheiden“ im Reichstag wohl manchmal außer Kraft gesetzt ist. Worum geht es ? Wieder einmal um eines meiner Lieblingsthemen, die gute alte Lebensversicherung, die für mich in der heutigen Zeit genauso antiquiert ist, wie eine Schreibmaschine. Da bei den derzeitigen Niedrigzinsen, wohl niemand, der all seine Sinne beieinander hat, einen derartigen Vertrag abschliesst, muss sich die Branche etwas einfallen lassen. Schliesslich müssen die zahlreichen Verkäufer und Vertreter ja von irgendetwas leben. Mein Tipp an alle Lebensversicherungsverkäufer: Schult um zum Altenpfleger, wenn die Abschlüsse nicht mehr reichen, da habt ihr einen krisensicheren Job für die Zukunft ! Im ohnehin verwirrenden Dschungel der Begriffe wie Deckungsstock, Überschussbeteiligung oder Beitragsrendite hat es die Lobby der Versicherungsunternehmen jetzt geschafft, einmal mehr die Politik zu instrumentalisieren und einem todkranken Patienten die letzte Aufbauspritze zu verpassen.

Mit Wirkung vom 23.12.2012 sollen Versicherungskunden nicht mehr – wie bisher – automatisch bei Ablauf ihres Vertrags an der Hälfte der angefallenen Buchgewinne beteiligt werden. Dazu muss man wissen, dass gerade bei Verträgen die in den kommenden beiden Jahren auslaufen, diese Buchgewinne teilweise bis zu 10% der Gesamtauszahlung betragen, da die gefallenen Zinsen zu extremen Kursgewinnen bei bestehenden Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren geführt haben.

Diese Kunden hätten dann noch halbwegs die seinerzeit bei Abschluss versprochenen Auszahlungen bekommen. Dies ist nun leider Makulatur. Die Auszahlungen werden in den nächsten Jahren drastisch sinken.

„Wir sind ins Nachdenken gekommen, weil die Gesetzesänderung offenbar bei einigen Versicherten zu einer Minderung der Auszahlung um über zehn Prozent führt. Das hat uns vorher niemand gesagt.“ wurde ein Mitglied des Bundestags in den Stuttgarter Nachrichten diese Woche zitiert. Da ging es bei den zahlreichen Anlässen zu denen die Versicherer im Vorfeld die Entscheidungsträger eingeladen hatten, dann wohl eher um kulinarische Genüsse, die die Sinne vernebelt haben, als um die Sache selber. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Denen, die einen Gewinn gemacht haben, nimmt man mit dieser Gesetzesänderung einen Großteil des Gewinnes wieder weg, um Neuanleger damit zu „füttern“.

 

Das (wie sollte man auch anders erwarten) positive Fazit auf der Internet-Seite des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft liest sich wie blanker Hohn für alle Betroffenen:
„Die Neuregelung bedeutet mehr Gerechtigkeit für die Versichertengemeinschaft und den Erhalt garantiesichernder Bewertungsreserven. Dies dient der Sicherheit des wichtigsten privaten Altersvorsorgeprodukts der Deutschen. Langfristige Sicherheit ist eine wichtige Voraussetzung, um späterer Altersarmut entgegenzuwirken.“

Auf Deutsch: „Wir werden auch weiterhin völlig intransparent Gelder zwischen unseren Beitragszahlern (die eh zu blöd sind, um unsere Vertragsbedingungen zu verstehen) und uns, nach Belieben verschieben. Schließlich müssen unsere Vertreter ja weiter möglichst viel von diesem Unsinn verkaufen. Unsere Lobbyisten in Berlin werden auch weiterhin versuchen mit aller Kraft Einfluss in die Politik zu nehmen, damit wir weiterhin ungeschoren unseren Geschäften nachgehen können.“ Eines muss man den Versicherern schon lassen. Die Politik haben Sie immer gut im Griff gehabt. Mit welcher rationalen Begründung zum Beispiel sind Lebensversicherungsbeiträge z.B. steuerlich abzugsfähig und Aktien-Sparpläne nicht.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich der Bundesrat eines Besseren besinnt und mit dem nötigen Maß an Vernunft diesen Beschiss wieder korrigiert. Und bevor sie einem künftigen Altenpfleger ein Dokument unterschreiben, denken Sie dran: Wer braucht heutzutage noch eine Schreibmaschine ?