Archiv für Juli 2012

Die Krux mit den Zinsen

25 Juli 2012

Dem EURO sei Dank ! Die spezielle wirtschaftliche Situation in Europa -die „Lokomotive“ Deutschland zieht die „Liegewagen“ Spanien und Italien und den „Schlafwagen“ Griechenland – sorgt seit geraumer Zeit für die Situation, dass wir angesichts der nach wie vor guten wirtschaftlichen Situation in unserem Land eigentlich viel zu niedrige Zinsen haben. Ein willkommenes Sommerloch-Thema war von daher die in der vergangenen Woche wieder einmal entfachte Diskussion, um die viel zu hohen Dispozinsen die die Banken ihren Kunden abnehmen, wenn sie Ihr Konto überziehen.  Ein sehr kluges Wort kam zu diesem Thema von unserem Finanzminister Wolfgang Schäuble „Niemand muss sein Konto überziehen – wir brauchen mehr Transparenz und mehr Eigenverantwortung bei den Verbrauchern“ wurde unser Finanzminister in der BILD-Zeitung zitiert. Klare Worte, denen nichts hinzuzufügen ist. Man könnte sagen „wie es sich für einen Schwaben gehört.“ Experten wissen aber, Schäuble ist kein Schwabe, sondern Badener. Aber zurück zum Thema:  Bei einem Leitzins von 0,75% ist das Geschäft mit den Überziehungszinsen wirklich eine sehr gute Einnahmequelle für viele Banken. Ich bin geneigt, insbesondere bei der Commerzbank, die mit 13,34% die Spitzenposition in der „Abzocker-Tabelle“ einnimmt, zu sagen: Das ist ja endlich mal ein Bereich, wo Ihr nicht drauflegt und keine Staatshilfe braucht ! Wobei Staatshilfe in der heutigen Zeit ja auch nicht mehr das ist, was es früher mal war – mittlerweile gilt in vielen Ländern Europas nicht mehr das Motto „der Staat hilft“, sondern „Hilf dem Staat“. Bei der eingangs erwähnten Zinssituation gibt es wie bei vielen Dingen im Leben Gewinner und Verlierer. Verlierer sind in erster Linie die traditionsbewussten deutschen Sparer, die Ihr Geld auf Festzinskonten oder in Versicherungen liegen haben „weil das dort sicher ist und es feste Zinsen gibt“ Das ist im Prinzip auch heute noch so, mit dem kleinen Unterschied, dass „feste Zinsen“ nicht mehr 5% p.a. bedeuten, sondern nur noch 1% p.a. Wenn Ihnen Ihre Versicherung hier andere Zahlen präsentiert, ist das schlichtweg unseriös. Mal ganz abgesehen davon, dass derjenige, der es heute verspricht, in 20 oder 30 Jahren, wenn der Tag der Abrechnung kommt, wahrscheinlich nicht mehr Ihr Ansprechpartner sein wird. Gewinner sind auf den ersten Blick Staaten, die in den Augen der Anleger als „sichere Häfen“ gelten (neben Deutschland, sind das Holland, Luxemburg und Österreich im Euro-Raum, aber auch die Schweiz, Japan, Norwegen und sogar die USA) und die sich quasi zum Nulltarif refinanzieren können. Aber auch Investoren, die für Bauprojekte oder Maschineninvestitionen Kredite aufnehmen, fühlen sich – mit dem richtigen Bankpartner an Ihrer Seite – momentan wie im Paradies. Für 20-jährige Hypotheken (2,9%) oder kurzfristige Euribor-Kredite (ich kenne einen Solarparkbetreiber, der zahlt aktuell 0,87% p.a.) bekommt man derzeit Zinskonditionen, von denen Investoren früher nur geträumt haben. Allerdings gilt hier eine Regel: Die gesparten Zinsen dürfen nicht „verfrühstückt“ werden, sondern müssen zusätzlich in die Tilgung fließen. Damit potenziere ich den derzeitigen Zinsvorteil, da auf zusätzliche Tilgungen künftig ja überhaupt keine Zinsen mehr anfallen. Ein kluger Kaufmann weiss das, allerdings vermisse ich diese Disziplin, in der Haushaltspolitik. Wenn der Staat schon keine Zinsen zahlen muss, dann müssen wir doch in der jetzigen Situation die gesparten Zinsen zur Schuldentilgung verwenden. Zumal die Niedrigzinsphase, sollte Sie länger dauern (wovon ich ausgehe), ein ganz anderes Problem aufwirft. Nämlich das der Refinanzierung von Pensionen. Um 2.000 € mtl. Pension zu zahlen, brauche ich bei einem Zinssatz von 5% und einer geschätzten 25-jährigen Pensionsdauer einen Kapitalstock von 340.000 €. Pensionssteigerungen sind hierbei noch nicht mal berücksichtigt. Bringt der Kapitalstock, aber anstatt 5% nur noch 1% Ertrag p.a. kann ich bei 340.000 € Kapital nur noch 1.300 € Pension zahlen, oder ich muss den Kapitalstock um mehr als die Hälfte auf 537.000 € aufstocken. Ich gehe fest davon aus, daß einigen Chefmathematikern in den großen Unternehmen hier schon die Schweissperlen auf der Stirn stehen. Und zwar nicht wegen dem derzeitigen Wetter. Die Lösung hier kann nur lauten: Entweder länger arbeiten oder  ein radikales Umdenken in der Anlagestrategie mit einer neuen Definition von Chance und Risiko. Hier gehört definitiv eine höhere Beimischung von Aktien und Unternehmensbeteiligungen dazu, anstatt mit dem Großteil des Anlagestocks auf Staatsanleihen zu setzen. Was kann der Privatanleger aus dieser ganzen Diskussion mitnehmen ?

1. Hört auf unseren Finanzminister – das Girokonto muss immer ein Plus als Vorzeichen haben.

2.  Stellt Euch auf längere Arbeitszeiten ein – das sagt nur kein Politiker, weil er dann nicht mehr gewählt wird. Auch die Franzosen werden das lernen.

3. Schmeissen Sie die Angst, kurzfristig auch mal etwas zu verlieren über Bord – Verlierer werden in der Zukunft die Zauderer sein. Unser Geld muss ebenso hart arbeiten, anstatt für 1% p.a. faul in der Sonne zu liegen. Je länger, desto besser !

 

Schweizer Scheinwelten

18 Juli 2012

„L’État c’est moi“ – „Der Staat bin ich“ sagte einst „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. Der „Sonnenkönig“ des 21. Jahrhunderts („Le Football c’est moi“) – „ich bin der Fußball“) residiert in einem noblen Prunkbau auf dem Züricher Sonnenberg und hört auf den Namen Joseph „Sepp“ Blatter, seines Zeichens Präsident des Weltfussballverbands FIFA. Im Gegensatz zu seinem Vorbild aus dem 18. Jahrhundert muss der kleine Mann aus dem Wallis allerdings nicht fürchten posthum von aufgebrachten Revolutionären aus dem Grab geholt zu werden. Allerdings befindet er sich momentan in höchster Gefahr in Schimpf und Schande vom Hof gejagt zu werden.

Der gute „Kuvert-Sepp“ spielt nämlich eine nicht unerhebliche Rolle in einem Schmiergeld-Skandal, der mittlerweile nicht mehr nur durch Mutmaßungen und Spekulationen zur Legende aufgebaut wird. Vielmehr liegen seit Mittwoch vergangener Woche handfeste Beweise vor, dass tatsächlich Bestechungsgelder an FIFA-Funktionäre gezahlt wurden. Sein Vorgänger Joao Havelange und dessen Schwiegersohn, der langjährige brasilianische Verbandspräsident Ricardo Texeira haben laut Dokumenten, die die Staatsanwaltschaft In Zug jetzt veröffentlichen musste, Beträge in zweistelliger Millionenhöhe in die eigene Tasche gesteckt. Und Sepp Blätter hat dies nachweislich seit 1997 gewusst und diese beiden „Drecksäcke“ (ich denke nach diesen Vorkommnissen darf man die so nennen) gedeckt ! Korruption und Schmiergeldzahlungen seinen zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz kein Straftatbestand gewesen, gab der Herrscher des Weltfussballs in einer ersten Stellungnahme auf der hauseigenen Internetseite www.fifa.com zu Protokoll. Bravo, Herr Blatter ! Dann dürfen wir ja mal gespannt sein, wer sich die restlichen 100 Mio €, die seit dem Konkurs des Sport-Rechte-Händlers ISMM/ISL vor zehn Jahren gesucht werden, in die Tasche gesteckt hat. Aber ein entsprechend laxer Umgang mit größeren Geldbeträgen scheint ja in der Schweiz des Öfteren vorzukommen. Während in Deutschland jeder Vermögensverwalter zig Geldwäsche-Prüfungen durchlaufen muss, bevor er von einem kroatischen Obsthändler 2.000 € in bar entgegen nehmen darf, hat die Schweizer Bankenwelt jahrzehntelang das Schwarzgeld aus aller Herren Länder angezogen, wie das Licht die Motten.

Und da waren nicht nur katholische Chorknaben dabei, sondern knallharte Despoten wie z.B . Gaddafi, Mubarak und der ehemalige philippinische Diktator Ferdinand Marcos, die ihr Volk ausbeuteten, Tausende von Oppositionellen umbringen ließen, aber ihre Grazien in regelmäßigen Abständen schön zum Shoppen nach Zürich schickten, inclusive Cash-Versorgung und Sprüngli-Pralinen vor Ort.

Das alles ließen sich die feinen Schweizer Banker allerdings fürstlich honorieren, mit Gebührensätzen, die jedem „Stiftung-Warentest-Lektor“ sämtliche Körperbehaarung senkrecht stellt. Wahrscheinlich (nein, mit Sicherheit !) haben die Herren Havelange und Texeira die zugeschobenen Millionen ebenfalls direkt auf einem diskreten Konto in der Bahnhofstraße deponiert. Sonst hätte man ja mit dem brasilianischen Fiskus noch einen Teil des geklauten Geldes teilen müssen. Aber mit dieser Scheinwelt ist es für unsere Schweizer Freunde demnächst vorbei. Bedanken können wir uns da bei unseren amerikanischen Freunden, die nicht nur mit Worten (ich denke da an das „Kavallerie-Zitat“ von Peer Steinbrück), sondern mit Taten begonnen haben den ganzen „Puff“ vornehmlich in Zürich und Genf auszumisten. Da wurde dem für die USA-Kunden zuständigen Mitarbeiter der größten Schweizer Bank, UBS, mal eben bei der  Einreise in die USA am Flughafen in Miami eine elektronische Fussfessel angelegt verbunden mit dem Hinweis „Wir lassen Dich erst wieder hier raus, wenn Du uns sagst, welche US-Bürger alle ein Konto bei Euch haben“. Und die altehrwürdige Schweizer Privatbank Wegelin, deren persönlich haftender Teilhaber Konrad Hummler nicht müde wurde, die Vorzüge der diskreten Schweiz und des Bankgeheimnisses noch vor wenigen Monaten anzupreisen, löste sich in einer Nacht- und Nebel-Aktion auf, als die USA andeuteten, das Geschäftsgebaren dieser Bank mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Mittlerweile läuft in den USA eine Klage gegen die Bank wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. In der heutigen Zeit, wo selbst im zivilisierten Europa Staaten um das nackte finanzielle Überleben kämpfen, kann es nicht sein, dass eine „Insel der Glückseligen“ noch dazu im Herzen von Europa (nein, liebe Eintracht-Fans, ich meine nicht die Commerzbank-Arena, das singen wir erst wieder ab dem 23. August) sich prostituiert und sagt: „Gebt uns Eure Kohle und ihr zahlt keine Steuern auf die Erträge !“ Ich bin mir zu 100% sicher: Hätte die FIFA ihren Sitz in einem anderen Land der westlichen Hemisphäre als in der Schweiz, wären dort schon längst Horden von Steuerfahndern und Anti-Korruptionsermittlern eingefallen und hätten den Laden auf den Kopf gestellt. Aber auch der gute Sepp wird sozusagen von Herbert Grönemeyers WM-Song, der das Sommermärchen 2006 mit geprägt hat, eingeholt. „Zeit, dass sich was dreht !“

Angst essen Kohle auf !

11 Juli 2012

Die leichte Abwandlung des Filmtitels aus dem Jahr 1974 spiegelt das Verhalten und die derzeitige Stimmung vieler Anleger am Kapitalmarkt wider. Viele sind völlig verunsichert und trauen sich nicht Investitionen zu tätigen. Ein guter Freund von mir hat neulich sein Tageszeitungs-Abonnement gekündigt. Als der Vertriebsbeauftragte darauf hin bei ihm nach den Hintergründen für diese Entscheidung nachfragte, sagte zu er ihm: „Ich habe keine Lust mehr, mich schon beim Frühstück mit lauter Negativ-Themen zu befassen. Auf Seite 1 steht die Meldung über einen Flugzeugabsturz oder den 21.EURO-Krisengipfel, im Lokalteil über einen Unfall auf der Landstrasse oder einen Dorfverein, der sich auflöst, im Kulturteil liest man, welches Theater gerade pleite gegangen ist  und wenn man den Wirtschaftsteil liest, kommt man zu dem Eindruck der Weltuntergang steht unmittelbar bevor. Ich will aber mit einem positiven Gefühl in den Tag gehen.“ Aber anscheinend braucht die Mehrheit unserer Mitmenschen diese schlechten Nachrichten, wie die tägliche Luft zum Atmen. Denn jammern „wie schlecht alles heutzutage ist“ ist doch viel leichter, als anzufangen und kleine Dinge, die einen stören, zu ändern. Wenn ich das ganze Geheule um den Euro momentan höre, platzt mir manchmal der Kragen. „Unser Geld ist bald nichts mehr wert ! Oh Gott diese Griechen, Spanier und Italiener reißen unser Land in den Abgrund ! Der Kapitalismus und die soziale Marktwirtschaft sind am Ende ! Die Börsen und der Euro stürzen ab, alles fliegt in die Luft !“ Sobald man einen Fernseher einschaltet oder eine Zeitung in die Hand nimmt, wird man mit diesen Themen konfrontiert und mir kommt es vor, dass die Intensität dieser ganzen Meldungen – wie von Geisterhand gesteuert – ständig zunimmt. Das vieles davon schlichtweg Propaganda ist, hinter der verschiedene Interessenlagen stehen, ist den wenigsten bewusst. Mit der ständigen täglichen Krisendosis sind die Medien auf dem besten Weg, die Ziele der Angst-Lobbyisten zu verwirklichen und treten damit nahtlos die Nachfolge diverser kirchlicher Organisationen an, die in den vergangenen 2.000 Jahren diesen Markt nach dem Motto „Spende und Du kommst in den Himmel“ dominiert haben. Das Geschäft mit der Angst ist schließlich das zweitälteste Gewerbe der Welt. Seitenwechsel: Anlässlich der gerade hinter uns liegenden Fussball-Europameisterschaft war ich zum ersten Mal in meinem Leben in Polen. Dort sind in den letzten 20 Jahren sensationelle Fortschritte erzielt worden, aber wenn man fünf Kilometer hinter der Grenze so langsam in das Land eintaucht, fühlt man sich um 30 Jahre zurück versetzt. Und so wie sich viele in unserem Land eine polnische Altenpflegerin leisten, beschäftigen viele Polen ukrainische Hausangestellte. Wie es dann in der Gegend zwischen Lemberg und Kiew ausschaut, brauche ich keinem zu erzählen.  Und Polen bzw. die Ukraine sind noch Länder, die im von den vereinten Nationen veröffentlichten „Human Development Index“ (einer Kennzahl für die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand eines Landes)auf Platz 39 bzw. Platz 76 liegen. Die drei letzten Plätze(185-187) zieren Burundi, Niger und die Demokratische Republik Kongo, die zusammen übrigens knapp 100 Millionen Einwohner aufweisen. Wenn von denen einer jammert, kann ich das verstehen, aber nicht bei uns ! Deutschland liegt in dieser Rangliste übrigens auf Platz 9 hinter Neuseeland (5.) und Irland (7.). Die einen waren Mitte der 80er Jahre angeblich pleite und Irland stand noch vor 2 Jahren kurz vor der Insolvenz. Auf Platz 1 steht übrigens Norwegen, ein Land das aufgrund seiner Ölvorkommen zu Reichtum gekommen ist. Der staatliche Ölfonds Norwegens (Staatens Pensjonsfond Utland), in dem die Überschüsse aus dem Ölgeschäft für künftige Generationen „gebunkert“ werden, verfügt aktuell über knapp 475 Milliarden Euro und ist damit das größte Anlagevehikel der Welt. Von denen höre ich keine Klagen, wie von vielen Vermögenden in unserem Land, dass ja alles so schlecht ist und man vor lauter Angst nicht weiß, wohin mit dem Geld. Auf der Website der norwegischen Zentralbank (www.norges-bank.no) kann man genau einsehen, wie die Wikinger momentan investiert sind. Das meiste Geld liegt mit einem Anteil von 60% in – dreimal dürfen Sie raten – Aktien ! Es gibt kaum ein etabliertes Unternehmen in Europa, wo die Norweger nicht die Finger im Spiel haben. Darüber sollte man mal etwas länger nachdenken. In Deutschland dagegen wird vor lauter Angst, dass das Geld demnächst nichts mehr wert ist, überwiegend in Lebensversicherungen, Bausparverträgen und Fest- bzw. Termingelder investiert.

Dabei sind das genau die drei Anlageformen, die – sollte es zu einer Geldentwertung kommen – am stärksten davon betroffen sind. Sachwerte wie Aktien, Immobilien, Gold, oder Kartoffeln dagegen haben auch in schlechten Zeiten ihren Wert. Nachdenken darüber reicht nicht – hier ist Handeln angesagt.

Generation Zweiter !

4 Juli 2012

Da war nicht nur ich mir ganz sicher. „Dieses Mal sind sie reif, die Italiener !“ Um 22:41 waren wir am vergangenen Donnerstag im Nationalstadion von Warschau eines Besseren belehrt. Und genau wie im Jahr 2006 sorgten die „Azurri“ dafür, dass die ganze schwarz-rot-gelbe Euphorie in unserem Land innerhalb von 90+4 Minuten verglühte. Wie ein Lagerfeuer über dem die Pfadfinder ihre Blasen entleeren. Was blieb war Trauer, Wut und Frustration und seitdem sucht Fussball-Deutschland seine sportliche Identität. Der oft zitierte Spruch „Fussball ist die schönste Nebensache der Welt“ hilft in einer solchen Situation nicht so richtig weiter, zumal sich unsere Kanzlerin beim zeitgleich über die Bühne gegangenen EU-Gipfel vom italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti genauso vorführen liess, wie die deutsche Abwehr von „Super-Mario“ Balotelli. Das Schlimme dabei ist, dass auch noch eine deutsche Sportartikelfirma aus Herzogenaurach eine Prämie dafür zahlt, dass der beim Torjubel sein Trikot auszieht. Aber zurück zum Thema: Nageln wir Jogis Buben (inclusive himself) an die Wand oder geben wir Ihnen eine weitere Chance ? Diese Frage dürfte in den vergangenen acht Tagen das zentrale Stammtischthema zwischen Flensburg und Berchtesgaden gewesen sein. An der Fan-Basis am Flughafen „Chopin“ in Warschau herrschte nach dem Spiel jedenfalls eine Stimmung, die wohl posthum den Namensgeber des Flughafens zur Komposition seines weltberühmten Trauermarschs, der Klaviersonate Nr.2 , inspiriert hätte, wenn er das Werk nicht schon im Jahr 1839 vollendet gehabt hätte. Bevor die Frage aufkommt: Nein, „Feingeist“ Otto Rehhagel war nicht mit dabei. Dafür aber einige „Hardcore-Fans“, die unter anderem die grandiosen Siege unserer Mannschaft auf den Färöer-Inseln (die schreibt man wirklich mit „Ö“ und einem „E“ dahinter), in Aserbeidschan oder in Albanien (alle Einreisestempel dieser Länder zieren meinen Reisepass) miterlebt haben. „Jetzt reisen wir dieser Truppe schon 16 Jahre hinterher und wieder kein Titel, ich hab die Schnauze voll.“ so einer meiner alten Weggefährten, der ganz ernsthaft mit seinem „Rücktritt“ liebäugelte. Und ich muss ganz ehrlich sagen: In diesem Moment konnte ich das gut nachvollziehen. Schon wieder müssen wir zusehen, dass  Spanier, Italiener, Franzosen  oder wie 2004 sogar die Griechen einen Pokal in den Nachthimmel recken, der eigentlich uns Deutschen gehört. Und ich traue mich auch nach einer Woche noch nicht zu meinen italienischen Freunden, die mich sonst immer so lecker bekochen.

Das hat schon verdammt weh getan. Vor allem, weil wir ja alle wissen, dass es die Jungs eigentlich drauf hatten. Womit wir bei der Ursachenforschung wären: Einige Stimmen meinten  „Wer so singt, kann  nicht gewinnen.“  Sollen wir denn das nächste Mal den zweiten Tenor des MGV Frohsinn bzw. der Concordia über die linke Seite angreifen lassen ? (Alle Nicht-Brechener Freunde der Chormusik mögen mir die Auswahl verzeihen, aber da bin ich Lokalpatriot J). Ein „Bausche Gerhard“ (Geschäftsführer der Concordia und bekennender „Linksfuss“) hätte sicher die Leistung von Lukas Podolski auch abgerufen. Ob bei seinen Flanken dann der perfekt geföhnte Mario Gomez seine Frisur riskiert hätte, wird für immer ein Geheimnis bleiben. Jedenfalls haben diese beiden „Stehgeiger“ nicht nur meinen Blutdruck in die Höhe getrieben. Man kann verlieren, aber nicht so ! Wenn man sieht, dass da 30.000 Fans wie ein Mann hinter Ihrer Mannschaft stehen, das letzte Hemd geben und Ihren Jahresurlaub opfern, befremdet das schon, dass man bei einigen Spielern wirklich das Gefühl hat, da kommt nicht der unbedingte Siegeswille rüber. Wenn man dieser Mannschaft einen Kritikpunkt vor die Nase setzen muss, dann der, dass Typen wie ein Lothar Matthäus oder Matthias Sammer eben das Quentchen mehr Wille und Ehrgeiz hatten, das für den ganz großen Erfolg nötig ist. Da wurde auch mal gekratzt, gebissen und gespuckt, wenn’s sein musste. Ob die Jogi-Buben das nicht können, weil Sie zu sehr verhätschelt werden, war bzw. bleibt auch ein großer Diskussionspunkt. Nur zwei Beispiele: Muss man vom Frankfurter Flughafen nach dem Ausscheiden dann mit dem Lear-Jet nach München bzw. Dortmund reisen ? Da fahren auch Züge. 2008 in der Schweiz waren in einem 5-Sterne-Quartier die Matratzen nicht gut genug und mussten durch eigens aus der Heimat angekarrte Unterliegen ersetzt werden. Aber auch an das Partyvolk gilt es die Frage zu stellen: Muss man nach Pflichtsiegen in den Gruppenspielen in ganz Deutschland Autokorsos veranstalten, als hätte man schon den Titel geholt ? Alt-DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder sagte zu mir im Flugzeug auf der Heimreise „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Wir haben das jüngste Team von allen Halbfinalisten gestellt. 2014 gibt’s in Brasilien einen neuen Anlauf. Allerdings hat auf dem südamerikanischen Kontinent noch nie eine Mannschaft außer Brasilien, Argentinien und Uruguay einen Titel geholt. Jungs gebt Gas ! Ich habe keine Lust mir dann anzuhören „Na ja, es war knapp, aber wir greifen dann 2016 in Frankreich an !“