Archiv für 18 Juli 2012

Schweizer Scheinwelten

18 Juli 2012

„L’État c’est moi“ – „Der Staat bin ich“ sagte einst „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. Der „Sonnenkönig“ des 21. Jahrhunderts („Le Football c’est moi“) – „ich bin der Fußball“) residiert in einem noblen Prunkbau auf dem Züricher Sonnenberg und hört auf den Namen Joseph „Sepp“ Blatter, seines Zeichens Präsident des Weltfussballverbands FIFA. Im Gegensatz zu seinem Vorbild aus dem 18. Jahrhundert muss der kleine Mann aus dem Wallis allerdings nicht fürchten posthum von aufgebrachten Revolutionären aus dem Grab geholt zu werden. Allerdings befindet er sich momentan in höchster Gefahr in Schimpf und Schande vom Hof gejagt zu werden.

Der gute „Kuvert-Sepp“ spielt nämlich eine nicht unerhebliche Rolle in einem Schmiergeld-Skandal, der mittlerweile nicht mehr nur durch Mutmaßungen und Spekulationen zur Legende aufgebaut wird. Vielmehr liegen seit Mittwoch vergangener Woche handfeste Beweise vor, dass tatsächlich Bestechungsgelder an FIFA-Funktionäre gezahlt wurden. Sein Vorgänger Joao Havelange und dessen Schwiegersohn, der langjährige brasilianische Verbandspräsident Ricardo Texeira haben laut Dokumenten, die die Staatsanwaltschaft In Zug jetzt veröffentlichen musste, Beträge in zweistelliger Millionenhöhe in die eigene Tasche gesteckt. Und Sepp Blätter hat dies nachweislich seit 1997 gewusst und diese beiden „Drecksäcke“ (ich denke nach diesen Vorkommnissen darf man die so nennen) gedeckt ! Korruption und Schmiergeldzahlungen seinen zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz kein Straftatbestand gewesen, gab der Herrscher des Weltfussballs in einer ersten Stellungnahme auf der hauseigenen Internetseite www.fifa.com zu Protokoll. Bravo, Herr Blatter ! Dann dürfen wir ja mal gespannt sein, wer sich die restlichen 100 Mio €, die seit dem Konkurs des Sport-Rechte-Händlers ISMM/ISL vor zehn Jahren gesucht werden, in die Tasche gesteckt hat. Aber ein entsprechend laxer Umgang mit größeren Geldbeträgen scheint ja in der Schweiz des Öfteren vorzukommen. Während in Deutschland jeder Vermögensverwalter zig Geldwäsche-Prüfungen durchlaufen muss, bevor er von einem kroatischen Obsthändler 2.000 € in bar entgegen nehmen darf, hat die Schweizer Bankenwelt jahrzehntelang das Schwarzgeld aus aller Herren Länder angezogen, wie das Licht die Motten.

Und da waren nicht nur katholische Chorknaben dabei, sondern knallharte Despoten wie z.B . Gaddafi, Mubarak und der ehemalige philippinische Diktator Ferdinand Marcos, die ihr Volk ausbeuteten, Tausende von Oppositionellen umbringen ließen, aber ihre Grazien in regelmäßigen Abständen schön zum Shoppen nach Zürich schickten, inclusive Cash-Versorgung und Sprüngli-Pralinen vor Ort.

Das alles ließen sich die feinen Schweizer Banker allerdings fürstlich honorieren, mit Gebührensätzen, die jedem „Stiftung-Warentest-Lektor“ sämtliche Körperbehaarung senkrecht stellt. Wahrscheinlich (nein, mit Sicherheit !) haben die Herren Havelange und Texeira die zugeschobenen Millionen ebenfalls direkt auf einem diskreten Konto in der Bahnhofstraße deponiert. Sonst hätte man ja mit dem brasilianischen Fiskus noch einen Teil des geklauten Geldes teilen müssen. Aber mit dieser Scheinwelt ist es für unsere Schweizer Freunde demnächst vorbei. Bedanken können wir uns da bei unseren amerikanischen Freunden, die nicht nur mit Worten (ich denke da an das „Kavallerie-Zitat“ von Peer Steinbrück), sondern mit Taten begonnen haben den ganzen „Puff“ vornehmlich in Zürich und Genf auszumisten. Da wurde dem für die USA-Kunden zuständigen Mitarbeiter der größten Schweizer Bank, UBS, mal eben bei der  Einreise in die USA am Flughafen in Miami eine elektronische Fussfessel angelegt verbunden mit dem Hinweis „Wir lassen Dich erst wieder hier raus, wenn Du uns sagst, welche US-Bürger alle ein Konto bei Euch haben“. Und die altehrwürdige Schweizer Privatbank Wegelin, deren persönlich haftender Teilhaber Konrad Hummler nicht müde wurde, die Vorzüge der diskreten Schweiz und des Bankgeheimnisses noch vor wenigen Monaten anzupreisen, löste sich in einer Nacht- und Nebel-Aktion auf, als die USA andeuteten, das Geschäftsgebaren dieser Bank mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Mittlerweile läuft in den USA eine Klage gegen die Bank wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. In der heutigen Zeit, wo selbst im zivilisierten Europa Staaten um das nackte finanzielle Überleben kämpfen, kann es nicht sein, dass eine „Insel der Glückseligen“ noch dazu im Herzen von Europa (nein, liebe Eintracht-Fans, ich meine nicht die Commerzbank-Arena, das singen wir erst wieder ab dem 23. August) sich prostituiert und sagt: „Gebt uns Eure Kohle und ihr zahlt keine Steuern auf die Erträge !“ Ich bin mir zu 100% sicher: Hätte die FIFA ihren Sitz in einem anderen Land der westlichen Hemisphäre als in der Schweiz, wären dort schon längst Horden von Steuerfahndern und Anti-Korruptionsermittlern eingefallen und hätten den Laden auf den Kopf gestellt. Aber auch der gute Sepp wird sozusagen von Herbert Grönemeyers WM-Song, der das Sommermärchen 2006 mit geprägt hat, eingeholt. „Zeit, dass sich was dreht !“