In der Online-Ausgabe des „Handelsblatt“ war am vergangenen Mittwoch nachzulesen, daß der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) einen neuen – 10 Punkte umfassenden – „Verhaltenskodex für den Vertrieb von Versicherungsprodukten“ entwickelt hat.
Beim Lesen dieser „10 Gebote“ treten schon erstaunliche Dinge zutage.
So lautet Gebot Nr. 1 „ Klare und verständliche Produkte“.
Der eine oder andere von Ihnen hat sicherlich in letzter Zeit den Werbespot des Branchenführers „Ergo“ gesehen , wo ein junger Mann entspannt mit dem Kopfhörer im Schaukelstuhl sitzt und sagt „Fangt endlich an mich zu versichern, anstatt mich zu verunsichern“.
Das ist ein Kernproblem nicht nur der Versicherungs- sondern der ganzen Finanzbranche. Die Produkte und Angebote sind viel zu kompliziert und als Krönung des Ganzen setzt unsere Finanzverwaltung da mit der Abgeltungssteuer ein Bürokratiemonster oben drauf, wo ich bis heute nur einen einzigen Menschen kennen gelernt habe, der da 100%-igen Durchblick hat.
Lesen Sie sich doch heute mal die AGBs eines Versicherungsvertrages durch. Spätestens bei § 3 legen Sie das Ganze entnervt zur Seite. Und die Leute, die den 150-seitigen Prospekt des „Deep-Tracker-Bonus-Zertifikats“ (über das Sie sich jedes Jahr in Ihrem Depotauszug ärgern) gelesen und verstanden haben, kann man auch an einer Hand abzählen.
Gebot Nr. 2 „Beachtung des Kundeninteresses“
Meine Frage hierzu: Stand das etwa bis jetzt nicht im Vordergrund ?
Das gilt übrigens auch für Gebot Nr. 3 „Bedarfsgerechte Beratung“
Interessant erscheint mir auch Gebot Nr. 5 „Beratung auch nach Vertragsabschluss.“ Jetzt weiß ich auch warum 25% aller Riester-Sparer vergessen den Prämienantrag zu stellen. Offensichtlich haben die Verkäufer ihre Kunden nach dem Abschluss überfordert zurück gelassen, wobei wir da auch schnell wieder bei Regel Nr. 1 zurück sind.
Hinter der harmlosen Formulierung in Gebot Nr. 6 „Wettbewerbskonforme Abwerbungen“ verbirgt sich die Regulierung eines der größten Probleme des gesamten Versicherungsmarktes. Gegen einen gesunden Wettbewerb im Bereich der Sachversicherungen, wo der Kunde sich Jahr für Jahr entscheiden kann, ob er z.B. seine KFZ- oder seine Haftpflichtversicherung wechselt, ist sicherlich nichts einzuwenden, aber wenn sogenannte (im Branchenjargon) „Umdeckungen“ dergestalt vorgenommen werden, daß der Kunde animiert wird seine bestehende Lebens- oder Krankenversicherung zu kündigen, um eine neue „angeblich bessere“ abzuschließen, dann ist das in 95% aller Fälle nicht anderes als ein klarer Betrug am Kunden.
Ich will jetzt hier nicht den Stab über eine gesamte Branche brechen. Es gibt definitiv in diesem Bereich viele ehrliche und fleißige Berater, die einen guten Job machen. Aber es gibt eben auch viel zu viele, bei denen das nicht zutrifft, sonst müsste ein solcher Verhaltenskodex nicht aufgestellt werden. Genauso wie es im Bankensektor ein langwieriger Prozess sein kann, bis man den Berater seines Vertrauens gefunden hat, so trifft dies auch auf den Versicherungsbereich zu.
Eines muss sowohl der Bank- als auch der Versicherungsbranche klar sein:
Ich kann meinem Kunden nicht gleichzeitig Sicherheit und Rendite versprechen. Das gibt das aktuelle Zinsniveau nicht her. Und Wertsicherungskonzepte nach dem Motto „Wir investieren in Aktien aber wir sichern bei Höchststand ab“ sind nicht das Papier wert, auf dem Sie gedruckt sind.
An der Börse gelten andere Regeln. Die älteste und einfachste lautet (und die sollten gerade die Leute in unserer Region verstehen) „Unne kaafe un obbe gebbe.“
Manchmal klappt das sogar…