Mit zunehmenden Befremden verfolge ich seit einigen Wochen die Diskussionen und Aktivitäten, die sich um das geplante Infrastrukturprojekt, nennen wir es mal „Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs von einem Sackbahnhof in einen Durchgangsbahnhof“ abspielen.
Vor allem wundert mich eines: Das Ganze ist doch schon vor geraumer Zeit von den dafür zuständigen Gremien beschlossen worden. Es wurden Planungen gemacht, Aufträge vergeben und jetzt – quasi bei Baubeginn – wird das alles auf einmal in Frage gestellt.
Steht uns dieser ganze Zirkus etwa beim Ausbau des Flughafens – sozusagen vor unserer Haustür – ebenfalls bevor ?
Meine Meinung hierzu ist: Wir leben in einer Demokratie und dazu gehört auch, daß ich mich als Minderheit einem Mehrheitsbeschluss beugen und diesen akzeptieren muss.
„Stuttgart 21“ steht, wie der Name schon vermittelt, für Zukunft und Aufbruch in ein neues Zeitalter.
Ein Projekt in derartigem Ausmaß kann doch in dem Stadium, wo es sich jetzt befindet, nicht mehr in Frage gestellt werden. Alles so lassen wie es ist, heißt dann wohl eher „Stuttgart 19“. Ein Ausbau der Infrastruktur (und das gilt für „Stuttgart 21“, für den Frankfurter Flughafen, aber auch für die Wetteraubahn) ist für die Entwicklung unseres Landes von elementarer Bedeutung und sie können mit Sicherheit davon ausgehen, daß solche Projekte ja nicht aus „Jux und Dollerei“ angestossen werden, sondern, daß sich da ganze Planungsstäbe im Vorfeld mit befasst haben und für und wider ausgelotet haben. Und wenn unsere Gesetzgebung vorsieht, daß so etwas in Ausschüssen entschieden wird, dann ist das eben so.
Ich glaube, daß es bei vielen Leuten, die in Stuttgart auf die Straße gehen, gar nicht um das Projekt „Stuttgart 21“ geht, sondern, daß das ein Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit ist. Was mich an dieser Art von Demonstrationen ganz gewaltig stört, ist der mittlerweile inflationär gebrauchte Begriff „Montagsdemonstration“. Egal gegen was demonstriert wird, es findet immer montags statt und allen die mitmachen soll wohl so ein wenig das Gefühl des „revolutionären Aufbegehrens gegen die staatliche Obrigkeit“ vermittelt werden.
Aber da gibt es einen kleinen Unterschied. Für mich sind die Teilnehmer an den legendären Leipziger Montagsdemonstrationen vor 20 Jahren „echte Helden“. Diese Leute sind für ihre Freiheit auf die Strasse gegangen und keiner wusste vorher, ob er sich nicht am nächsten Morgen in einem Gefängnis wiederfindet und dort möglicherweise auch körperlichen und psychischen Repressalien ausgesetzt ist. Für mich ist die Verwendung des Begriffs „Montagsdemonstration“ für die heutigen (ich würde sagen) „Kundgebungen“ eine Beleidigung und Herabwürdigung dieser geschichtlich herausragenden Leistung. Was hat denn jemand heute bei einer solchen Veranstaltung zu befürchten ?
Trotz allem muss sich die Politik und die für ein solches Projekt Verantwortlichen die Frage gefallen lassen „Was habt Ihr falsch gemacht, damit die Entwicklung in dieser Angelegenheit so weit eskaliert ?“
Ganz wichtig ist es meiner Meinung nach, gerade bei Fragen bzw. Projekten, die von gewählten Gremien und nicht direkt von den Bürgern mit entschieden werden, diejenigen, die nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden sind, mit klaren Fakten und Informationen zu versorgen.
Das gibt den Leuten das Gefühl, dass nicht über deren Köpfe hinweg entschieden wird.
Allen, die an „Politikverdrossenheit“ leiden und sich beklagen, wie schlecht doch alles ist, kann ich an dieser Stelle den Hinweis geben: Am 27.März 2011 sind in Hessen Kommunalwahlen. Wie wär‘s denn mal mit kandidieren, anstatt zu demonstrieren.