Archiv für Mai 2017

Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht

25 Mai 2017

Max Stillger über ungesunde Entwicklungen im Fußballgeschäft

Ich glaube es war im Jahr 2002 oder 2003. Der schwergewichtige Rainer Calmund – damals noch in Manager-Diensten bei Bayer 04 Leverkusen – prägte in einem Interview den Satz „Wir fahren alle mit Vollgas auf die Wand zu, aber keiner traut sich auf die Bremse zu treten.“ „Calli“ ruderte dabei in seiner unnachahmlichen Art mit den Armen, als halte er persönlich das Lenkrad in der Hand. Zahlreiche Experten pflichteten ihm aber in dieser Zeit bei, dass der finanzielle Kollaps einiger Bundesliga-Vereine unmittelbar bevorsteht. 15 Jahre später sind wir alle schlauer. Ob es besser geworden ist, wage ich zu bezweifeln. Betrug zum Zeitpunkt von „Calli’s“ Ausführungen beispielsweise der gesamte Mannschaftsetat des Hamburger SV noch gut 15 Mio. Euro, „schleppt“ diese Summe heute der ein oder andere FC Bayern Spieler alleine nach Hause. Aber welchen Preis zahlen die Fans? Eine – in meinen Augen viel zu wenig in der Öffentlichkeit diskutierte – Frechheit, war es beispielsweise, dass sich der Rechteinhaber SKY vor der Saison hinstellte und verkündete: „Unsere Preise bleiben stabil!“. Auf den ersten Blick stimmte das. Mit dem kleinen Unterscheid, dass der Fan in dieser Saison samstags mittags getrost um 13:30 Uhr seine Gattin zum Einkaufen begleiten konnte, weil zu dieser Uhrzeit anstatt des Londoner Derbys Chelsea gegen Tottenham, das ost-steyrische-burgenländische Derby Puntigamer Graz gegen SV Mattersburg über den Bildschirm flatterte. Und das meine Herren von SKY – mit Verlaub – interessiert hierzulande wohl keine Sau. Die Umlegung der Kosten für die Fernseh-Rechte an der britischen Premier-League wollte und konnte man dem deutschen Gebührenzahler dann wohl doch nicht zumuten.

Lieber „Fan“ vom Spieler als vom Verein

Irgendwann in den neunziger Jahren hatte ein pfiffiger Werbeprofi die Idee, den Spielern feste Rückennummern zu vergeben und dazu die Namen der Spieler auf die Trikots zu drucken. Das kannte man bis dato nur von Welt- und Europameisterschaften. Eigentlich eine gut gemeinte Idee. Allerdings hat sich die durchschnittliche Verweildauer eines Profis bei einem Verein mittlerweile auf einen Zeitraum von zwei-drei Jahren deutlich ermäßigt. Ein Roman Weidenfeller, der im kommenden Jahr in seine 16. Saison bei Borussia Dortmund geht, ist da eine rühmliche Ausnahme. Und nicht selten kriegen die Fans ein Trikot im Wert von 80-100 Euro unter den Weihnachtsbaum gelegt, dass bereits in der darauffolgenden Wechselperiode im Januar unter der Rubrik „ach ja, der hat auch mal hier gespielt“ seinen Wert verloren hat.  Hier hätte der erste Verein noch ein Zeichen zu setzen, frei nach dem Motto: „Wenn der Spieler kurzfristig wechselt, gibt es einen Teil des Geldes zurück“. In Anbetracht des sich immer schneller drehenden Transferkarussels habe ich auch schon Fußballfreunde kennen gelernt, die gesagt haben. „Mein Verein tauscht ja alle drei Jahre die komplette Mannschaft aus, da kann ich mich nicht mehr mit identifizieren. Ich bin jetzt Fan des Spielers x oder y“.

Kein Bier mehr auf dem „Deckel“

Vor zwei Wochen hat uns dann eine Nachricht ereilt, bei der ich mir denke: „Wann platzt denn endlich mal den Leuten kollektiv der Kragen“ bzw. „wo ist die Schmerzgrenze der Verarschung?“. Ich finde es schon schlimm genug, dass man in den meisten Stadien nicht mehr mit Bargeld zahlen kann. Getränke und die obligatorische „Stadionwurst“ gibt es nur über einen entsprechenden „Fan-Deckel“ den man kaufen muss und der dann nach Ablauf des Guthabens neu aufgeladen wird. Im Extremfall haben „Edelfans“, die auch einige Auswärtsspiele besuchen, dann ein ganzes Sortiment dieser Deckel im Besitz. Aber was macht ein Anhänger von Werder Bremen denn jetzt mit dem Restguthaben auf der „Schanzer-Fan-Karte“ vom letzten Auswärtsspiel in Ingolstadt? Das kann Jahre dauern, bis der – wenn überhaupt – wieder mal dahin kommt.  Getoppt wurde das alles jetzt von der Pleite der Firma „Payment Solution“, die unter anderem auch in Frankfurt; Berlin und Kaiserslautern für die Bewirtschaftung der Stadien zuständig war. Wer es in der heutigen Zeit, bei dieser Auslastung der Stadien, nicht schafft kostendeckend zu arbeiten ist entweder eine betriebswirtschaftliche Pfeife oder ein Betrüger. Den betroffenen Vereinen kann ich nur sagen: „Seht zu, dass Ihr Eure gebeutelten Fans wenigstens entschädigt!“ Die hatten allesamt, ob in Berlin Frankfurt oder Kaiserslautern, in der zurückliegenden Rückrunde ohnehin wenig zu lachen.

Die „ehrenwerte“ Familie ist zurück

11 Mai 2017

Max Stillger über die Entwicklung in der FIFA

Für eine kurze Zeit sah es wirklich so aus, als sei der Fußball-Weltverband FIFA auf einem guten Weg. Es wurde systematisch ausgemistet und korrupten Funktionären wurde nach und nach das Handwerk gelegt, nicht zuletzt dank des radikalen Durchgreifens der US-Justiz. Die Basisarbeit erledigte die FIFA-Ethik-Kommission – eine insgesamt 15-köpfige Kammer, der der deutsche Richter und Korruptionsexperte Hans-Joachim Eckert und der Schweizer Jurist Cornel Borbely (einer der wenigen mir sympathischen Schweizer) vorstanden. Insgesamt 70 Verfahren leitete die Ethik-Kommission ein. Unter anderem wurde Sepp Blatter, Michel Platini, Mohammed Bin Hamann und Ex FIFA Generealsekretär Jeromé Falcke aus dem Amt gejagt. Und die Vorgänge um die hochkorrupte Südamerikanische Bande um Nicolaz Leoz, Jack Warner wurden gleich an die Amis übergeben, die „tabula rasa“ machten. Der Argentinier Grondona und der brasilianische Ex-FIFA-Chef Joao Havelange können posthum froh sein, dass sie das Zeitliche gesegnet haben, sonst wären sie auch nochmal in den Genuß von gesiebter Luft gekommen. Dass die FIFA-Ethik-Kommission trotz dieser respektablen Ergebnisse nicht über eine unbestrittene Macht verfügte, zeigten aber bereits die Diskussionen um den sogenannten „Garcia-Report“ in dem die Vorgänge, um die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 untersucht worden waren. Die FIFA entschied im Jahr 2014 diesen Report nicht zu veröffentlichen, worauf der damalige Leiter der Ethik-Kommission, der New Yorker Jurist Michael Garcia zurücktrat. Der Mann genießt meinen allerhöchsten Respekt.

Paukenschlag auf dem FIFA-Kongress  

Auf dem FIFA-Kongress in Bahrein in dieser Woche wurden jetzt – auch für die Betroffenen völlig überraschend – Eckert und Borbely bei der turnusmäßig anstehenden Neubesetzung der Ethik-Kommission nicht mehr berücksichtigt. Explizit nicht gewünscht wurde seitens der FIFA-Spitze auch nicht eine geordnete Übergabe der Amtsgeschäfte, sondern beide sind – wie bei einer fristlosen Kündigung – Knall auf Fall aussortiert. Hunderte von noch laufenden Verfahren sind davon betroffen und verzögern sich entsprechend bei der Aufarbeitung.  Es bleiben ein paar Fragen offen, die hoffentlich in den nächsten Tagen aufgeklärt werden. Auf die Eliminierung der beiden Juriste, angesprochen hiess es von FIFA-Seite zunächst, beide hätten nicht auf der „Nominierungsliste“ für die turnusmäßige Neubesetzung der Ämter gestanden. Damit wäre vor 10 oder 20 Jahren das Thema erledigt gewesen. Heute sind aber Gott-sei-Dank auch ein paar kritische Journalisten vor Ort, die flugs die Nominierungsliste studierten und siehe da, die Namen „Eckert“ und „Borbely“ standen dort ganz oben. Dann hiess es auf einmal: Es sollten mehr Frauen und „Nicht-Europäer“ in der Spitze der FIFA mitarbeiten. Wenn es nach mir geht, können wir bei dem Präsidenten, dem unsympathischen Glatzkopf aus der Schweiz damit gleich mal anfangen. Einmal mehr stinkt der Fisch am Kopf.

Undurchsichtige Rolle von Reinhard Grindel

Mehr als undurchsichtig ist bei diesem Theater auch die Rolle des neuen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel. In Presse-Statements kritisierte er die Entscheidung der FIFA die beiden Juristen abzusetzen, laut Medienberichten verlief die dazu gehörige Abstimmung aber einstimmig. Das würde aber bedeuten er hätte auch dafür gestimmt.

http://www.n-tv.de/sport/fussball/Fifa-schasst-ihre-Spitzen-Ethiker-um-Eckert-article19830889.html

http://www.n-tv.de/sport/der_sport_tag/Fifa-Auch-DFB-Boss-Grindel-stimmte-gegen-Eckert-article19832592.html

Mir gefällt diese Ämterhäufung ohnehin nicht. Warum muss denn der DFB-Präsident gleichzeitig in den Gremien von UEFA und FIFA sitzen? Die Arbeit kann man auch auf mehrere Schultern verteilen. Das macht diese Gremien auch transparenter und offener. Mit dieser ganzen Aktion in Bahrein haben die Verantwortlichen dem Fußball jedenfalls einen Bärendienst erwiesen und jede Menge Sympathien (meine hatte der neue Präsident ohnehin nicht) verspielt.

Königlich Nassauischer Magistrat

4 Mai 2017

Max Stillger über politische Debatten

Kürzlich scheiterte die AfD-Fraktion im Kreistag mit dem Antrag die Parlamentssitzungen über einen sogenannten „Live-Stream“ im Internet öffentlich zu übertragen. Ich kann mich noch gut an die Zeit in den siebziger Jahren erinnern, als einer der beiden öffentlichen Fernsehsender (damals gab es ja keine Alternativen) stundenlang mit politischen Debatten blockiert war, in denen sich Herren mit dicken Hornbrillen langweilige verbale Attacken lieferten. Lustiger ging es da schon bei Gerichtssendungen zu, insbesondere wenn ich an die Kultserie „Königlich Bayerisches Amtsgericht“ mit dem legendären bayerischen Volksschauspieler Gustl Bayrhammer denke. Ob ich mir Übertragungen der Kreistagssitzungen anschauen würde? Wohl eher nicht.

Hoher Unterhaltungswert in Runkel

Mit einem gewissen Grad an Belustigung verfolge ich dagegen die Berichterstattung in der heimischen Presse über die Parlamentssitzungen in Runkel. Ich bin mir sicher, dass der Unterhaltungswert der ansonsten relativ spröden politischen Diskussionen in keiner Kommune im Landkreis Limburg-Weilburg auch nur annähernd an das regelmäßig stattfindende Schauspiel im ansonsten beschaulichen Lahnstädtchen heranreicht. Im Mittelpunkt des ganzen steht ein Mann, der, wie jeder weiß nicht unbedingt mein politisches „Trikot“ trägt. Aber Bürgermeister Friedhelm Bender verfolgt unkonventionelle Ideen und genießt meine höchste Wertschätzung, mit welcher Standfestigkeit er den gegnerischen Kräften entgegen tritt und Angriffe – teilweise weit unter der Gürtellinie – an ihm abprallen. Hier hilft ihm sicherlich sein Hobby weiter. Er ist seit Jahrzehnten engagierter Fußball-Schiedsrichter und hat vor einigen Jahren die Nachfolge des legendären Obmanns Toni „Dusch“ Stillger angetreten. Für mich als externen Beobachter ist es immer wieder interessant zu sehen, wie teilweise traditionelles politisches Terrain verlassen wird und ein Vorschlag torpediert wird, nur weil er aus der falschen Ecke kommt. Ich will hier nicht den Oberlehrer spielen, aber wenn ich lese, dass die Stadt momentan 10.800 Euro Miete für ein Gebäude zahlt, dieses aber für 100.000 Euro erwerben kann, muss ich bei einem Zinssatz von 0,8% nicht lange überlegen. Noch dazu in dieser strategisch günstigen Lage, nämlich in Rufnähe zum Rathaus. Eigentlich sollte kaufmännisches Rechnen ja seit Konrad Adenauer und Ludwig Ehrhard die Stärke der Christdemokraten sein, aber in diesem Fall werden dann auch wieder politische Scharmützel über das Gemeinwohl gestellt, nur weil die Idee von der anderen Seite kam. Dem Besitzer der Immobilie kann ich nur zurufen: „Wenn die Stadt net will, für diesen Kaufpreis verbunden mit einem 10-Jahres Mietvertrag nehm ich es!“ Obwohl ich ein halbes Prozent höhere Zinsen als die Stadt zahlen muss.

Zweistellige Rendite mit Mehrheitsbeteiligung am Solarpark

Und ich mache dem Magistrat gleich noch einen Vorschlag: Vor 5 Jahren habt Ihr 210.000 € in einen Solarpark investiert. Eine gemeindeeigenes – bis dahin nutzlos brachliegendes – Wiesenland bringt der Stadtkasse seitdem eine jährliche Pacht in Höhe von 9.000 €. Und auf das investierte Kapital gibt es seit 4 Jahren eine Ausschüttung in Höhe von 11% p.a. Was wurde hier bei der Planung und während der – nicht einfachen – Realisierung des Projekts nicht nach allen Regeln der Kunst „geschennt“. Aber in erster Linie wieder nur, weil auch diese Idee aus der falschen Ecke kam. Ich lese die Berichte über die Magistratssitzungen sehr genau. In den vergangenen vier Jahren hat da nicht einer mal die Stimme gehoben und gesagt „Gut gemacht Herr Bürgermeister!“ Aber die 11% werden jedes Jahr eingesackt und nach der Sitzung wird beim verdienten Bier in der Kneipe über den bösen Herrn Draghi gelästert und „dass es ja keine Zinsen mehr gibt…“. Um allen „Reichsbedenkenträgen“ gleich den Wind für das Argument „ja wer weiß, ob das alles so weiter läuft“ aus den Segeln zu nehmen: Die Stadt könnte bei der derzeitigen Marktlage die Anteile für einen Aufschlag von 10%-20% auf den damals gezahlten Kaufpreis verkaufen. Besser beraten wäre man allerdings, dieses Projekt zu behalten. Ein paar Kilometer weiter lahnaufwärts wäre man wahrscheinlich froh, jedes Jahr einen „warmen Regen“ von 33.000 € sozusagen aus dem Nichts in der Kasse zu haben. Stattdessen muss da der amtierende Bürgermeister einen siebenstelligen Scherbenhaufen zusammen kehren, den ihm die Dilettanten, die vor ihm den Zugriff auf die Gemeindekasse hatten, hinterlassen haben. Für dieses Thema reicht keine Kolumne, da müsste man eigentlich ein Buch drüber schreiben…