Max Stillger über ungesunde Entwicklungen im Fußballgeschäft
Ich glaube es war im Jahr 2002 oder 2003. Der schwergewichtige Rainer Calmund – damals noch in Manager-Diensten bei Bayer 04 Leverkusen – prägte in einem Interview den Satz „Wir fahren alle mit Vollgas auf die Wand zu, aber keiner traut sich auf die Bremse zu treten.“ „Calli“ ruderte dabei in seiner unnachahmlichen Art mit den Armen, als halte er persönlich das Lenkrad in der Hand. Zahlreiche Experten pflichteten ihm aber in dieser Zeit bei, dass der finanzielle Kollaps einiger Bundesliga-Vereine unmittelbar bevorsteht. 15 Jahre später sind wir alle schlauer. Ob es besser geworden ist, wage ich zu bezweifeln. Betrug zum Zeitpunkt von „Calli’s“ Ausführungen beispielsweise der gesamte Mannschaftsetat des Hamburger SV noch gut 15 Mio. Euro, „schleppt“ diese Summe heute der ein oder andere FC Bayern Spieler alleine nach Hause. Aber welchen Preis zahlen die Fans? Eine – in meinen Augen viel zu wenig in der Öffentlichkeit diskutierte – Frechheit, war es beispielsweise, dass sich der Rechteinhaber SKY vor der Saison hinstellte und verkündete: „Unsere Preise bleiben stabil!“. Auf den ersten Blick stimmte das. Mit dem kleinen Unterscheid, dass der Fan in dieser Saison samstags mittags getrost um 13:30 Uhr seine Gattin zum Einkaufen begleiten konnte, weil zu dieser Uhrzeit anstatt des Londoner Derbys Chelsea gegen Tottenham, das ost-steyrische-burgenländische Derby Puntigamer Graz gegen SV Mattersburg über den Bildschirm flatterte. Und das meine Herren von SKY – mit Verlaub – interessiert hierzulande wohl keine Sau. Die Umlegung der Kosten für die Fernseh-Rechte an der britischen Premier-League wollte und konnte man dem deutschen Gebührenzahler dann wohl doch nicht zumuten.
Lieber „Fan“ vom Spieler als vom Verein
Irgendwann in den neunziger Jahren hatte ein pfiffiger Werbeprofi die Idee, den Spielern feste Rückennummern zu vergeben und dazu die Namen der Spieler auf die Trikots zu drucken. Das kannte man bis dato nur von Welt- und Europameisterschaften. Eigentlich eine gut gemeinte Idee. Allerdings hat sich die durchschnittliche Verweildauer eines Profis bei einem Verein mittlerweile auf einen Zeitraum von zwei-drei Jahren deutlich ermäßigt. Ein Roman Weidenfeller, der im kommenden Jahr in seine 16. Saison bei Borussia Dortmund geht, ist da eine rühmliche Ausnahme. Und nicht selten kriegen die Fans ein Trikot im Wert von 80-100 Euro unter den Weihnachtsbaum gelegt, dass bereits in der darauffolgenden Wechselperiode im Januar unter der Rubrik „ach ja, der hat auch mal hier gespielt“ seinen Wert verloren hat. Hier hätte der erste Verein noch ein Zeichen zu setzen, frei nach dem Motto: „Wenn der Spieler kurzfristig wechselt, gibt es einen Teil des Geldes zurück“. In Anbetracht des sich immer schneller drehenden Transferkarussels habe ich auch schon Fußballfreunde kennen gelernt, die gesagt haben. „Mein Verein tauscht ja alle drei Jahre die komplette Mannschaft aus, da kann ich mich nicht mehr mit identifizieren. Ich bin jetzt Fan des Spielers x oder y“.
Kein Bier mehr auf dem „Deckel“
Vor zwei Wochen hat uns dann eine Nachricht ereilt, bei der ich mir denke: „Wann platzt denn endlich mal den Leuten kollektiv der Kragen“ bzw. „wo ist die Schmerzgrenze der Verarschung?“. Ich finde es schon schlimm genug, dass man in den meisten Stadien nicht mehr mit Bargeld zahlen kann. Getränke und die obligatorische „Stadionwurst“ gibt es nur über einen entsprechenden „Fan-Deckel“ den man kaufen muss und der dann nach Ablauf des Guthabens neu aufgeladen wird. Im Extremfall haben „Edelfans“, die auch einige Auswärtsspiele besuchen, dann ein ganzes Sortiment dieser Deckel im Besitz. Aber was macht ein Anhänger von Werder Bremen denn jetzt mit dem Restguthaben auf der „Schanzer-Fan-Karte“ vom letzten Auswärtsspiel in Ingolstadt? Das kann Jahre dauern, bis der – wenn überhaupt – wieder mal dahin kommt. Getoppt wurde das alles jetzt von der Pleite der Firma „Payment Solution“, die unter anderem auch in Frankfurt; Berlin und Kaiserslautern für die Bewirtschaftung der Stadien zuständig war. Wer es in der heutigen Zeit, bei dieser Auslastung der Stadien, nicht schafft kostendeckend zu arbeiten ist entweder eine betriebswirtschaftliche Pfeife oder ein Betrüger. Den betroffenen Vereinen kann ich nur sagen: „Seht zu, dass Ihr Eure gebeutelten Fans wenigstens entschädigt!“ Die hatten allesamt, ob in Berlin Frankfurt oder Kaiserslautern, in der zurückliegenden Rückrunde ohnehin wenig zu lachen.