Max Stillger über das Ende einer einstmals beliebten Sparform
Seit Beginn der Niedrigzinsphase weiß meine „Stammkundschaft“ und wissen auch meine Leser, dass es zwei Finanzprodukte gibt, die kein Mensch mehr braucht, da sie einfach nicht mehr in die heutige Zeit passen. Lebensversicherungen und Bausparverträge. Wobei hier immer zu unterscheiden ist: Habe ich einen „Altvertrag“, der noch zu Konditionen abgeschlossen, als es noch relativ hohe garantierte Zinsen gab, oder stehe ich vor der Frage eines Neuabschlusses. Für den Bereich der Bausparkassen dürfte seit dem vergangenen Dienstag die Frage nach der Existenzberechtigung geklärt sein. Meine Empfehlung an die Branche: Dreht den Schlüssel rum und der letzte macht das Licht aus!
Was ist passiert? Jahre – oder besser jahrzehntelang – wurden Bausparverträge von Banken und Finanzvermittlern neben dem durchaus sinnvollen Einsatz in Baufinanzierungsmodellen auch oft als Sparvariante verkauft. Der Staat befeuerte das sogar noch mit der Wohnungsbauprämie, die es für Geringverdiener auf die Zinssätze von drei – vier Prozent noch obendrauf gab. Wenn man schlau war, wählte man eine relativ niedrige Bausparsumme, denn die Höhe der Kosten für den Abschluss eines Bausparvertrages richtet sich nach der Bausparsumme. Hier fallen in der Regel 1% Gebühren an, das heißt bei einer Bausparsumme von 10.000 € sind das 100 € und bei einer Summe von 50.000 € dann schon 500 €. Ein Bausparvertrag bot außerdem die Möglichkeit ein „zinsgünstiges“ Darlehen zu bekommen, bei dem der Zinssatz ca. 2% über dem Sparzins liegt. Jahrelang galt die Faustregel drei Prozent Guthabenzins – 5 Prozent Darlehenszins. Da man seit 3-4 Jahren Baudarlehen für etwas mehr als 1% Zinsen bei der Bank bekommt, vergeben die Bausparkassen zu gut wie keine Darlehen mehr. Für alle BauSPARER, die noch Verträge mit 3-4% Guthabenzinsen haben, ist so ein Vertrag in der heutigen Zeit natürlich ein gutes Geschäft – ausnahmsweise mal ein Finanzprodukt, wo man ohne Risiko und garantiert noch Zinsen erhält. Aber genau diese Kunden wollen die Bausparkassen loswerden und haben jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht ein Urteil erwirkt, nachdem Verträge, die älter als 10 Jahre sind, einseitig von den Bausparkassen gekündigt werden können.
Kurzsichtiges Urteil mit verheerender Signalwirkung
Als das am vergangenen Dienstag durch die Medien ging, habe ich gedacht, ich höre nicht richtig. An die Damen und Herren in Karlsruhe: Das war ein Bärendienst, den Sie der Finanzbranche erwiesen haben (auch wenn die Vertreter der Bausparkassen über das Urteil jubelten). Was ist denn heutzutage ein Vertrag noch wert? Gerade im Finanzsektor, wo dauerhaftes gegenseitiges Vertrauen überhaupt die Grundlage für ein Geschäft bietet, haben Sie demjenigen, zu dessen Nachteil sich ein Geschäft entwickelt hat, mit diesem Urteil einen Freibrief gegeben nach dem Motto „Laut Vertrag und unseren Geschäftsbedingungen müssen wir Ihnen 3 Prozent Zinsen bezahlen, aber wir erklären das jetzt mal für ungültig.“ Vielmehr hätten sich die Richter in Karlsruhe mal fragen sollen, warum sind denn die Bausparkassen in diese missliche Lage gekommen? Nämlich durch kollektives Versagen in der Führungsebene und eine viel zu späte Anpassung der Produktpolitik an die veränderte Marktlage. Außerdem hat auch die „Umsatzgeilheit“ der Vertriebsvorstände (wobei diese Halskrankheit auch bei Versicherungskonzernen sehr weit verbreitet ist) ihren Teil dazu beigetragen. Wenn ich Provisionen nicht nur aus der Abschlussgebühr, sondern auch aus einem (leider nicht mehr vorhandenen) Zinsüberschuss bezahle, muss ich mich nicht wundern, dass der Schuss nach hinten losgeht. Analog zu meiner Kolumne von letzter Woche weite ich meinen Vorschlag zur ärztlichen Untersuchung vor Vertragsabschluss deshalb auch auf Bausparverträge aus. Wer nach diesem Urteil noch einen abschließt, der muss ebenfalls zum Arzt bzw. frage ich mich, ob dem überhaupt noch zu helfen ist.