Max Stillger über Prognosen, die kein Mensch braucht
Jedes Jahr zwischen Anfang Dezember und Mitte Januar spielt sich auf den Kapitalmärkten dieser Welt die „Dinner for one“-Show ab. Nach dem Motto „Same procedere as every year“ sieht sich jeder Vermögensverwalter, Fondsmanager oder Anlageberater, jede Bank, Sparkasse oder auch Versicherung genötigt a) das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und b) eine Prognose für die Entwicklung der Kapitalmärkte im kommenden Jahr abzugeben. Ich gebe zu, dass ich mich auch lange Jahre diesem Ritual nicht entziehen konnte, habe mich aber vor zwei Jahren dazu entschlossen keine Kurzfristprognosen mehr abzugeben. Wie in einem Artikel der F.A.Z. vom 6. Januar unter der Überschrift „Studie zur DAX-Prognose offenbart massive Schwächen “zu lesen war, lagen die Propheten in 13 der letzten 20 Jahre um mehr als 10% daneben.
Viele schwimmen mit der Masse
Wenn man sich die Prognosen detaillierter anschaut verwundert das auch nicht, denn die wenigsten Analysten und Wahrsager haben „den Arsch in der Hose“ sich auch einmal deutlich vom Mainstream abzusetzen. Und der lautet beim DAX: Zwischen 6 und 9 Prozent Plus pro Jahr. Das ist – grob gesagt – die langfristige durchschnittliche Entwicklung aber die ergibt sich aus Extrem-Werten zwischen plus 47% (in 1997) und minus 44% (in 2002).
Jahr | DAX Entwicklung |
Jahr | DAX Entwicklung |
|
1997 | 47,10% | 2007 | 22,30% | |
1998 | 17,70% | 2008 | -40,40% | |
1999 | 39,10% | 2009 | 23,80% | |
2000 | -7,50% | 2010 | 16,10% | |
2001 | -19,80% | 2011 | -14,70% | |
2002 | -43,90% | 2012 | 29,10% | |
2003 | 37,10% | 2013 | 25,50% | |
2004 | 7,30% | 2014 | 2,70% | |
2005 | 27,10% | 2015 | 9,60% | |
2006 | 22,00% | 2016 | 6,90% |
Wer in den letzten 20 Jahren konsequent einen fiktiven „Lottoschein“ ausgefüllt hätte, auf dem stand „Der DAX steigt nächstes Jahr zwischen sechs und neun Prozent“ hätte nur zweimal, nämlich 2004 und 2016 gewonnen. Ich kenne niemanden, der Ende 1999 gewarnt hat: „Die nächsten drei Jahre sehen wir rote Zahlen !“ und Ende 2011 mit den Worten „Die nächsten zwei Jahre geht es 60% hoch !“ zum Halali geblasen hat.
Wenn ich aber mit der gleichen Strategie versuche nicht das Jahr 2017, sondern die nächsten zehn Jahre vorherzusagen, ändert sich meine Trefferwahrscheinlichkeit deutlich.
6-9% p.a. bedeuten in 10 Jahren einen Gesamt-Wertzuwachs von +79 bis +136% – in fünf von elf Fällen hätte der Prophet damit in den letzten 11 Jahren ins Schwarze getroffen.
Jahr | DAX Entwicklung | ||
1997-2006 | 128,6% | Treffer | |
1998-2007 | 90,1% | Treffer | |
1999-2008 | -3,7% | Vorbei | |
2000-2009 | -14,3% | Vorbei | |
2001-2010 | 7,5% | Vorbei | |
2002-2011 | 14,4% | Vorbei | |
2003-2012 | 163,2% | Drüber | |
2004-2013 | 140,9% | Drüber | |
2005-2014 | 130,6% | Treffer | |
2006-2015 | 98,8% | Treffer | |
2007-2016 | 74,2% | Treffer |
Ich weiß nicht, ob sich die Finanzbranche mit dieser alljährlichen „Tippspiel-Orgie“ einen Gefallen tut. Außerdem werden hier definitiv falsche Anreize gesetzt. Die Börse ist kein Markt für ein Investment mit einem Anlagehorizont von 12 Monaten.
Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, an der Börse reden wir über zehn Jahre plus „x“ und bei einem 10.000 Meter-Lauf, der bekanntermaßen über 25 Stadionrunden á 400 Meter geht, interessiert es auch keinen, wer denn nach der achten Runde führt.
Kein Mensch käme auf die Idee darauf zu wetten, wie es bei einem Fußball-Spiel nach 10 Minuten Spielzeit steht, außer ein paar „Exoten“. Das sind aber dann Zocker und keine Investoren. Und der „Zocker“ verliert auf Dauer, während der „Investor“ gewinnt !
Meine Prognose lautet: Im Jahr 2025 wird der DAX die Marke von 25.000 Punkten erreicht haben. Das bewegt sich am oberen Rand der Spanne „6-9% p.a.“ Am oberen Rand deshalb, weil ich das Zinsniveau auch in den nächsten Jahren bei nahezu Null sehe und die Null- bzw. niedrigen Zinsen den Treibstoff für eine positive Börsenentwicklung darstellen.
Und wer heute kauft und sich 10 Jahre nicht aus der Ruhe bringen lässt, wird am Ende dieses Zyklus auch eine ordentliche Ernte einfahren.