Archiv für Dezember 2016

So ein Nikolaus darf öfters kommen

15 Dezember 2016

Max Stillger über eine richtig gute Woche – leider nur für viel zu wenige

Knapp drei Wochen vor Weihnachten findet mit der Nikolausbescherung insbesondere bei Familien mit Kindern im Vorschulalter ein liebgewonnenes vorweihnachtliches Ritual statt. Oftmals sieht man Männer mit weißen Bärten und einem Sack über der Schulter durch die Strassen huschen. Im Sack befinden sich dann Geschenke für die „braven“ Kinder und eine Rute für die „unartigen“ Kinder, mit der aber heutzutage nur noch gedroht wird. Die Zeiten, wo dieses Instrument aktiv eingesetzt wurde, sind Gott sei Dank vorbei. Spätestens im Grundschuldalter haben sich aber Engagements der Miet-Nikoläuse dann erübrigt, wenn das Kind dem Nikolaus zwar zunächst andächtig zuhört, aber irgendwann mit der Bemerkung „der redet ja genauso wie der Onkel Klaus“ (hier könnte auch „Thomas“, „Heinz“ oder „Willi“ stehen) erkennen lässt, dass die Märchenstunde der Vergangenheit angehört.

Geschenke für Aktionäre – Rute für die Sparer

Einen vollen Sack hatte der Nikolaus in der vergangenen Woche für alle Geldanleger dabei. Wobei sich die Geschenke allerdings nur auf einen kleinen Teil der Gemeinde verteilten. Nur knapp 14% der Bevölkerung in Deutschland besitzen Aktien oder Aktienfonds und konnten sich in der vergangenen Woche über einen Kursanstieg von knapp 7% im Deutschen Aktien-Index (DAX) freuen. Für den Rest gab es dann am vergangenen Donnerstag mit drei Tagen Verspätung von „Onkel Mario (Draghi)“ die Rute. Mindestens bis zum Jahr 2019 wird die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer Nullzinspolitik festhalten. Auch wenn die auflagenstärkste deutsche Zeitung am Tag nach der EZB-Sitzung titelte „Das kostet uns dieser Mann – „BILD“ rechnet mit Draghi ab !“, gibt es keine Alternative zu dieser Politik. Abgesehen davon, das „BILD“ wohl die falsche Lektüre ist, wenn ich mich über Wirtschaftsthemen informieren will, ist meine Rechnung hier einfach: Jeder Prozentpunkt Zinserhöhung kostet den Verlust von einer Million Arbeitsplätze hierzulande. Dass wir faktisch „Vollbeschäftigung“ haben, ist nicht der einzige angenehme Nebeneffekt der lockeren Geldpolitik. Auch die Haushaltsberatungen in vielen Kommunen würden deutlich stressiger verlaufen, Ich halte es für hochgradig gefährlich, sollten sich auch hierzulande Politiker in bester „Trump-Manier“ hinstellen und nach dem Motto „der deutsche Sparer muss wieder mit ordentlichen Zinsen entlohnt werden“ Zinserhöhungen fordern. Auch wenn man damit vielleicht Wählerstimmen „fängt“. Langfristig wird dieser Schuss nach hinten losgehen.

Nicht jammern – ändern!

Allen, die vom Nikolaus nicht beschenkt wurden, liege ich an dieser Stelle ja schon seit Jahren mit der Empfehlung in den Ohren „Ändert Eure Anlagestrategie!“ Nicht alles in Aktien, aber wenigstens einen kleinen Teil des Vermögens. In den USA liegt z.B. der Anteil der Aktien- bzw. Aktienfondsbesitzer bei 56% und damit viermal so hoch, wie bei uns. Und auch wenn die Aktionäre in der letzten Woche mit 7% beschenkt wurden, ist das noch lange kein Grund mit dem Argument „Jetzt ist mir das aber alles zu teuer“, den Einstieg abermals zu verschieben. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Seit 1988 hat der DAX zwar um durchschnittlich 8,7% pro Jahr zugelegt, aber in den letzten neun Jahren war der Wertzuwachs mit 1,7% p.a. alles andere als überragend.

Datum DAX-Stand Entwicklung Zeitraum
(p.a.)
01.01.1988 1.000
01.01.2008 8.067 11,0% (1988-2007)
09.12.2016 11.220 8,7% (1988-2016)
1,7% (2008-2016)

Diejenigen, bei denen das Glas immer halbleer ist, werden argumentieren „das wussten wir doch schon immer, dass Aktien nichts taugen“. Und da wo das Glas halbvoll ist, wird (richtigerweise) erkannt: „da hat sich ein immenser Nachholbedarf aufgestaut“. Insbesondere auch mit Blick auf das Zinsumfeld kann man feststellen, dass so ziemlich alle Anlageklassen (allen voran Immobilien) in den vergangenen zehn Jahren deutliche Wertzuwächse erzielen konnten – nur bei Aktien hielten sich die Zuwächse in Grenzen. Von daher sei den Aktionären  das diesjährige Nikolausgeschenk gegönnt. Ich glaube zwar nicht an den Weihnachtsmann, aber daran, dass man mit Aktien auch in den nächsten 30 Jahren im Schnitt zwischen sieben und neun Prozent verdienen kann. Der Preis dafür ist, dass der Nikolaus in manchem Jahr die Rute auspackt und es auch mal weh tut. Aber das ist es wert!

Das einzig unberechenbare isch der Ball!

8 Dezember 2016

Vor gut einem Jahr wurde in Sichtweite des Dortmunder Hauptbahnhofs das „deutsche Fußball-Museum“ eröffnet. In einer Zeit, wo mittlerweile ca. 200 Leute damit beschäftigt sind, zu analysieren, was 22 Kicker und drei Leute „in schwarz“ bei einem durchschnittlichen Bundesligaspiel leisten, befindet sich dort ein wahres „El Dorado“ für alle Fans für die Fussball „mehr als ein 1:0“ ist. Auf drei Ebenen finden sich Devotionalien, die weit über das legendäre  Notizbuch von Sepp Herberger oder den Spickzettel, den sich Jens Lehmann 2006 im WM Viertelfinale gegen Argentinien vor dem Elfmeterschiessen in den Stutzen steckte, hinaus gehen. In einer Video-Dokumentation des WM-Finales von 2014 erscheint am Ende Bundestrainer Joachim Löw und spricht den tiefgreifenden Satz: „Das einzig unberechenbare isch der Ball“.

Unberechenbare Wähler

Hier muss ich allerdings verbal rein grätschen und sagen „Falsch, Jogi !“. Gerade im Jahr 2016 wurden wir hier in vielen Fällen eines Besseren belehrt. „Unberechenbar“ waren für mich in diesem Jahr vor allem die Wähler – oder sollte man besser sagen „das Wahlvolk“ ? Ob Brexit-Entscheidung, die Wahl des US-Präsidenten oder jetzt am vergangenen Wochenende das Referendum in Italien. Überall haben uns zahlreiche Wahlforscher, Analysten, Propheten und sonstige Gaukler mit Vorhersagen regelrecht überschüttet. Aber am besten war es, sich mit dem Thema erst dann zu beschäftigen, wenn das Ergebnis feststand. Oder wie es der Journalist Hans-Jürgen Jakobs in einem „Handelsblatt“-Artikel sehr treffend formulierte: „Klarer Wahlverlierer war im übrigen die Demoskopie“. Mein Rat für das Jahr 2017 zu diesem Thema: Befassen Sie sich vor der Bundestagswahl nicht mit dem möglichen Ausgang, aber beteiligen Sie sich aktiv daran, indem Sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen !

Halbdunkle „Steuerspielchen“

Einen völlig unberechenbaren Ausgang könnte für viele bekannte Gesichter die Entwicklung aus den am letzten  Wochenende enthüllten Informationen der Whistleblower-Plattform „Football-Leaks“ nehmen. Da der Informant dieser pikanten Informationen wohl auf der iberischen Halbinsel lebt und anscheinend Fan des FC Barcelona ist, konzentrieren sich die Ermittlungen vorwiegend auf Kicker und Trainer, die in Diensten von Real Madrid stehen bzw. standen. Fachkenner wissen, dass José Mourinho einer der größten Taktikfüchse im Trainergeschäft ist. Aber das Konstrukt, das er bzw. seine Berater aufgebaut haben, um letztendlich für seine Bild- und Werberechte (immerhin geht es da um hohe einstellige Millionenbeträge pro Jahr) nur den halben Steuersatz bzw. evtl. gar keine Steuern zu zahlen nötigt selbst Finanz- und Steuerexperten Respekt ab. Der Nachteil: Die Konstruktion mit Verzweigungen nach Zypern, Schweiz (klar müssen die auch dabei sein !), Irland, British Virgin Islands und sogar Neuseeland erfüllt wahrscheinlich den Tatbestand der Steuerverkürzung bzw. –hinterziehung.

das-einzig-unberechenbare-isch-der-ball

(Quelle: Spiegel.de)

Noch ist es für viele unvorstellbar, dass auch ein aktiver Spieler oder Trainer mal für einen gewissen Zeitraum „aus dem Verkehr“ gezogen wird. Aber man muss bedenken: In Spanien und auch in Portugal sind die Staats-Kassen leer und bei den Summen, die Ronaldo und Co. mittlerweile p.a. verdienen, kommen wir mit halbdunklen Steuerspielchen ganz schnell in Dimensionen, da mussten hier bei uns bekannte Gesichter vorübergehend die Adresse wechseln.

Aber auch bei Messi, Neymar und Co. in Barcelona brennt in dieser Hinsicht in diesem Jahr nicht nur der Weihnachtsbaum. Lionel Messi wurde bereits zu einer Steuernachzahlung von fünf Mio € „verdonnert“ und bei Neymar zählen sie gerade die Strafsumme zusammen. Und  vor zwei Wochen sickerte durch, dass die spanischen Behörden gegen den Kameruner Samuel Eto’o eine Haftstrafe von zehn (!) Jahren beantragt haben.

Da bekommt die „Slapstick-Nummer“ des ecuadorianischen Nationalstürmers Enner Valencia vor einigen Wochen eine völlig neue Bedeutung. Am Rande des WM Qualifikationsspiels Ecuador gegen Chile in Quito war die örtliche Polizei angerückt, um den Stürmer des FC Everton wegen rückständiger Unterhaltszahlungen in Höhe von ca. 15.000 € festzunehmen. Valencia simulierte eine Verletzung und ließ sich auf dem Platz auf eine motorisierte Bahre umlegen. Der Fahrer gab dann Vollgas und den hinterher sprintenden Polizisten keine Chance.

https://www.youtube.com/watch?v=i9xXFP5Li4Y

Ronaldo und Neymar sind zwar schnell, aber ich befürchte, dass Schnelligkeit alleine bei dieser Nummer nicht reicht, um da wieder raus zu kommen.

Welcome back, Uli !

2 Dezember 2016

Ganz selten hat die Rückkehr eines Protagonisten (sei es im Sport, in der Politik oder in der Wirtschaft) die Gemüter so erhitzt und gespalten, wie die Wahl von Uli Hoeness zum Präsidenten des FC Bayern München e.V. am vergangenen Freitag. Der „Patron“ des erfolgreichsten deutschen Fussballvereins kehrt auf seinen Posten zurück, den er aufgrund einer Verurteilung in einem der spektakulärsten Steuerprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2014 hatte räumen müssen. Das Land ist gespalten in der Frage (ich formuliere das mal neutral): „Kann jemand, der im Gefängnis gesessen hat, einen solch verantwortungsvollen Posten ausfüllen ?“

Yes, he can

Meine Meinung dazu ist klar: Er kann das ! Zum einen hat er es vor dem Steuer-Skandal bewiesen, dass er der fähigste Fussball-Manager weltweit ist und zum anderen hat er für sein – ohne Zweifel – hoch zu kritisierendes Verhalten die Höchststrafe bezahlt. Nicht nur mit seinem Gefängnisaufenthalt, sondern in erster Linie mit dem Verlust öffentlichen Ansehens. Wobei sich auch da die Geister scheiden. Ich habe mich vor zwei Jahren sehr intensiv mit dem „Steuerfall Uli Hoeness“ beschäftigt. Es bleiben da viele Fragen offen: Nach seinen Angaben hat er mit den ganzen Spekulationen unter dem Strich nichts verdient. Frei nach dem Motto von Leo Kirch: „der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen.“ Das deutsche Steuerrecht ist aber so konzipiert, dass wenn der „Herr zuerst gibt“, darauf Steuern fällig werden und wenn der „Herr dann nimmt“ diese Verluste nur bedingt mit den vorherigen Gewinnen verrechnet werden können, sondern in erster Linie mit künftigen Gewinnen. Das Fazit dieser Gesetzeslage führte im Endeffekt dazu. dass der gute Uli 50 Mio Steuern nachzahlen musste, die er gar nicht verdient hatte. Von der völlig weltfremden Regel, dass Steuerschulden mit 6% Zinsen p.a. berechnet werden, mal ganz zu schweigen. Aber das ist alleine ein Thema für eine ganze Abhandlung. Leisten konnte er sich das nur, weil er – parallel zu seiner Fussball-Karriere – eine gutgehende Wurstfabrik in Nürnberg (ich sage nur: „Drei im Weckla“) aufgebaut hatte.

Urteil ist im Internet nachlesbar

Wer – so wie ich – das im Internet  verfügbare Urteil zu diesem Fall analysiert, kommt zu der Erkenntnis, dass in diesem Fall eine große Laienspielschar unterwegs war. Angefangen vom Steuerberater, der eine dilettantische Selbstanzeige anfertigte über seinen „Star-Anwalt“ Hanns Feigen, der in meinen Augen alles andere als souverän wirkte. Ich erinnere nur an den Spruch während des Prozesses „Herr Hoeness erzählen sie nichts vom Pferd“. Die Strategie den Ermittlungsbehörden erst eine  (!) Woche vor Prozessbeginn alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, öffnet bis heute allen Spekulationen „wer denn da noch alles mit drin steckt“ Tür und Tor. Vom Bankberater mal ganz zu schweigen. Aber kann man einem Schweizer Kundenberater wirklich vorwerfen einen deutschen Kunden nicht auf eine mögliche Steuerproblematik hinzuweisen ? Schließlich hat der in seinem ganzen Leben immer nur den Leitspruch gelebt (stellen Sie sich diesen Satz bitte mit eidgenössischem Zungenschlag vor) „Bringen Sie uns ihr Geld, wir sind zwar etwas teurer aber dafür diskret.“ Abgesehen davon glaube ich, dass ein „Alpha-Tier“, wie es Uli Hoeness ohne Zweifel ist und immer war, in vielen Dingen „beratungsresistent“ ist.

Teurer Patriotismus

Etwas seltsam kam es Beobachtern schon vor, dass der Prozess im März 2014 in drei Tagen „durchgebolzt“ wurde, obwohl sich die Summe der hinterzogenen Steuern von ursprünglich drei auf knapp 30 Mio Euro erhöht hatte. Normalerweise hätte das Gericht hier auch sagen können „Es liegen neue Fakten auf dem Tisch, wir müssen uns hier erstmal durcharbeiten und vertagen das Ganze.“ Grundsätzlich hat Hoeness seinen Patriotismus (*ich zahle meine Steuern in Deutschland“ teuer bezahlt. In der ganzen Gemengelage hätte ein Wohnsitzwechsel (z.B. wie der Franz nach Österreich) oder einfach ein anderer „Mantel“ (z.B. die Abwicklung dieser ganzen Geschäfte nicht als Privatperson Uli H., sondern als Firma xy, hinter der Uli H. steht) ganz leicht aus dem Tatbestand der Steuerhinterziehung eine „clevere Steuervermeidungsstrategie“ werden lassen. Von daher braucht mir hier auch keiner stolz auf Nico Rosberg als „unseren“ neuen Formel 1 Weltmeister zu sein: Der zahlt seine Steuern in Monaco – wenn er es hier tun würde, hätte er meinen Respekt. Das gleiche gilt für seine beiden Vorgänger. Und wenn wir gerade beim Thema „Steuersünder“ sind: Was ist verwerflicher ? Das Verhalten von Uli Hoeness oder das von Carsten Maschmeyer, Mirko Slomka und Clemens Tönnies, die (Stichwort „Cum-ex-Geschäfte“) ihr Geld bewusst in Strategien investieren, die auf eine damals zwar legale, aber moralisch sehr fragwürdige Mehrfacherstattung von Kapitalertragssteuern fusst. Und weiter: Verantwortlich dafür, dass dem Staat hier ein Schaden in Höhe von mindestens 12 Milliarden € entstanden ist (Quelle F.A.Z. vom 14.6.2016), sind die Herren Eichel, Steinbrück und Schäuble, die es in insgesamt 16 Jahren als Finanzminister nicht geschafft haben, dieses Steuerschlupfloch zu schließen.

Steilvorlage für alle Talkshows

Da reden wir über einen ganz anderen Schaden, als den, den der Uli verursacht hat, und außerdem auf Heller und Pfenning zurückgezahlt hat. Dass von den oben genannten Herren jemand etwas freiwillig in den Klingelbeutel geworfen hat, ist mir nicht bekannt. Im Gegenteil: Der Eichel klagt noch vor Gericht gegen die Anrechnung von anderen Einkünften auf seine Pension. Es gibt im deutschen Fernsehen viele Sendungen, die ich mir grundsätzlich nicht anschaue. Aber in dem Fall freue ich mich auf die erste Talkshow, wo auf der Gegenseite einer der zahlreichen „selbsternannten Moralpostel“ den Zeigefinger hebt und mit dem Satz „Eigentlich sollte ein solches Amt ja nicht…“ aus dem Schrank kommt. Da werden wir den alten Uli erleben. Das Recht diese ganzen „Dummschwätzer“ dann zu „zerlegen“ hat er in den vergangenen drei Jahren für einen hohen Preis gekauft.