„Deutsche verschenken 200 Milliarden Euro“ titelte die Frankfurter Neue Presse am vergangenen Donnerstag. Gemeint waren damit aber nicht Zuwendungen an Bedürftige, was man in einen solchen Satz auch hinein interpretieren könnte. Nein, der Bericht befasste sich mit Optimierungsbedarf bei der Geldanlage. Grundlage des groß „aufgemachten“ Artikels war der in der vergangenen Woche erschienene „Global Wealth Report 2016“ der Allianz-Versicherung, in dem sich die Allianz-Volkswirte mit der Vermögensentwicklung auf dem ganzen Globus auseinandersetzen.
Gutes Thema – falsche Überschrift
Die Überschrift „Deutsche verschenken 200 Milliarden Euro“ hat für mich allerdings den gleichen Inhaltswert wie die Aussage „Thiago hatte 164 Ballkontakte“ im „Montags-Kicker“. Michael Heise, Chef-Volkswirt der Allianz, erklärt die 200 Milliarden-Rechnung so: „Hätten die Deutschen in den Jahren 2012-2015 anstatt 40% ihres Gesamt-Vermögens nur 30% in Sparbücher und Termingeld angelegt und dagegen den Aktienanteil von 6,5% auf 16,5% erhöht, hätte die gute Entwicklung der Aktienmärkte in diesem Zeitraum das Vermögen der Deutschen um 200 Milliarden erhöht.“ Bravo Herr Heise ! Hinterher sind wir immer schlauer. Die Herren „hätt ich“ und „wenn ich“ haben in der legendären Börsianer-Stammkneipe „Mutter Ernst“ in der Alte Rothofstrasse in Frankfurt hinten rechts ihren Stammplatz. Oder wie es die Engländer sagen. „If my aunt had balls, she was my uncle“ (für alle Nassauer: „Wenn die Omma en Sack hätt, wär‘s de Oppa !“) Grundsätzlich finde ich es ja gut, wenn sich Versicherungen mit Aktien auseinandersetzen und gerade bei der Allianz fällt mir der alte Börsen-Bonmot ein: „Das bessere Geschäft wär es schon immer Aktien von der Allianz kaufen, als eine Lebensversicherung bei der Allianz abschließen.“ Aber diese Rechenspielchen schiessen völlig an der Realität vorbei. Dass Aktien langfristig die rentabelste Anlage sind, ist nicht erst seit dem „Allianz Global Wealth 2016“ Report bekannt. Das Kern-Problem bei der ganzen Sache ist doch: „Wie nehme ich den Leuten die Angst, diesen Schritt zu tun ? Denn derjenige, der heute in Aktien investiert, kann sich für die Ergebnisse der Jahre 2012 bis 2015 nichts kaufen. Hier zählt „Was bringen Aktien in den Jahren 2016 bis 2020 (oder noch besser 2016-2025) ?“ Und hier steht vor allem eines fest: Die Rendite am Aktienmarkt wird auch in Zukunft mit Angstschweiss verdient. Aber es gibt zunehmend keine Alternative mehr ! Sehr aufschlussreich für mich war eine in diesem Zusammenhang veröffentlichte Tabelle. Sie zeigt die Entwicklung des Brutto-Geldvermögens der Bevölkerung pro Kopf im Jahr 2015 (in Klammern die Vergleichszahlen des Jahres 2000).
Brutto-Geldvermögen (Sparguthaben, Aktien) pro Kopf der Bevölkerung | |||
Rang 2015 | Rang 2000 | Land | Betrag |
1 | (1) | Schweiz | 260.800 € |
2 | (2) | USA | 202.490 € |
3 | (7) | Dänemark | 145.110 € |
4 | (4) | Großbrit. | 132.310 € |
5 | (11) | Schweden | 130.660 € |
6 | (6) | Niederlande | 129.700 € |
7 | (14) | Australien | 120.520 € |
8 | (9) | Singapur | 114.160 € |
9 | (8) | Kanada | 113.830 € |
10 | (3) | Japan | 108.660 € |
… | … | ||
20 | (15) | Deutschland | 67.980 € |
Mario Draghi: „Drecksack oder Heilsbringer ?
In der vergangenen Woche saß ich in einer Unternehmerrunde, als ein neben mir sitzender, durchaus vitaler Endsechziger, begann das hohe Lied auf diesen „Verbrecher von der EZB“ zu singen“. Zu Beginn der dritten Strophe musste ich ihm dann doch mal ins Wort fallen mit der Bemerkung „ich trinke jeden Abend ein Glas auf das Wohl des Herrn Draghi“ und bevor sein verdutzter Blick wich, ergänzte ich „und ich sage Ihnen auch warum !“ Die Nullzinspolitik ist die einzige Medizin, um den Euro am Leben zu erhalten und ohne den Euro (respektive die Nullzinsen) ginge es uns in Deutschland wesentlich schlechter. Die meisten Unternehmer mit denen ich momentan rede, haben in erster Linie ein Problem: Fähige Mitarbeiter zu finden, damit sie ihre Aufträge bewältigen können. Bei Zinsen von 5%, da bin ich mir sicher, hätten wir 5 Millionen Arbeitslose in unserem Land. Wir müssen uns in diesem Fall mit der Zinspolitik am schwächsten Glied in der Kette orientieren. Das versetzt Deutschland in die komfortable Situation, dass wir (bei Quasi-Vollbeschäftigung) ein Zinsniveau vorfinden, dass – isoliert betrachtet – natürlich um ein paar Prozentpunkte zu niedrig ist. Aber für mutige Investoren bietet sich in der aktuellen Situation ein perfektes Umfeld. Und das muss auch der Sparer erkennen. Nicht jammern, dass es auf dem Sparbuch nichts mehr gibt, sondern nach Alternativen suchen. Nicht mit allem was auf dem Sparbuch liegt, aber wenigstens anfangen damit !
Jäger oder Sammler ?
Es gibt in der Natur kein einziges Beispiel, wo eine Spezies, die nur auf Sicherheit bedacht ist, dauerhaft überlebt, geschweige denn Ihren Standard halten kann. „Jäger“ sind gefragt, keine „Sammler“. Dass das „Jagen“ deutlich schwerer ist als das „Sammeln“ steht außer Frage. Und dass beim „Jagen“ nicht jeder Schuss ein Treffer wird, steht ebenfalls außer Zweifel. Und es gibt gute und schlechte Zeiten für die Jagd. In der Zeit zwischen 1988-2000 verzeichnete der DAX einen Anstieg von jährlich 15%. Seit dem Jahr 2001 – heute nur noch von 2% p.a. Das Feld ist voller (Angst-)Hasen – an die Gewehre ! Denn wenn sich das in diesem Land nicht ändert, liegt Deutschland in 10 Jahren in der o.a. Tabelle nicht mehr auf Platz 20 sondern auf Platz 50.