Vor ziemlich genau 30 Jahren (am 21.März 1986) unterschrieb ich als 23-jähriger Student ein rotes Formular mit der Überschrift „Gewerbeanmeldung“. Etwa in der Mitte des Formulars stand bei Zweck des Unternehmens: „Vermittlung von Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen“. Über diese beiden (damals sinnvollen) Anlageformen könnte ich auch in der heutigen Zeit abendfüllend referieren Wäre ich Autoverkäufer geworden, stünde aber dann heute ausschließlich das Thema „Wie lege ich den Rückwärtsgang ein ?“ auf der Tagesordnung. Da ich mich auch zu dieser Zeit schon – studienbedingt – intensiv mit dem Thema „Börse“ beschäftigt habe, kam dann relativ schnell eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf die Bereiche „Vermittlung von Investmentfonds und Baufinanzierungen hinzu.“ Dass das schon damals eine anspruchsvollere Tätigkeit als die ersten beiden oben genannten war, zeigt auch die Tatsache, dass man für die Vermittlung von Finanzierungen und Investmentfonds eine zusätzliche Erlaubnis der IHK brauchte, die zu diesem Zeitpunkt schon den stolzen Preis von 1.200 D-Mark kostete. Meine ersten technischen Hilfsmittel bestanden aus einer Schreibmaschine und der phasenweisen Benutzung des elterlichen Telefons, welches mit einer Wählscheibe ausgerüstet war. Kreisförmig waren die Zahlen von 0-9 dort angebracht. Man steckte den Finger in die Zahl, die man wählen wollte und liess die Scheibe dann zurück rollen. Die „1“ hatte den kürzesten Weg – bei der „0“ konnte man schon mal zwischendurch andere Geschäfte erledigen, bis die Scheibe sich fertig gedreht hatte. Die erste revolutionäre Neuerung war dann ein Tastentelefon, gleichzeitig verbunden mit einem Anrufbeantworter, dessen rotes Blinklicht die Zahl der Anrufe wider gab. Wenn ich heute die Mailbox meines Handys anwähle und die Stimme sagt „sie haben 23 Anrufe“, hätte sich das Blinklicht zu dieser Zeit wahrscheinlich gewerkschaftlich organisiert. 1988 kam dann der erste Computer und 1989 dann – welche Revolution – das erste Fax-Gerät, wo man sich dann auf Thermo-Papier gegenseitig Nachrichten schicken konnte. Weitere Meilensteine waren das erste Handy 1992 (ein GH 172 von Ericcson), der erste Internet-Anschluss 1995 und 1999 ein „Börsenpager“ (den gleichen hatte übrigens auch Uli Hoeness), der in die Hosentasche passte und mit dem man aktuelle Kurse abfragen konnte. Informationen über die Börsenentwicklung gab es Mitte der 80er Jahre Mittags um 14 Uhr im Anschluss an die Rundfunknachrichten des Hessischen Rundfunks und nach den Mitternachtsnachrichten des US-Soldatensenders AFN wurde der Schlussstand des Dow-Jones Index verkündet. Wenn man die verpasst hatte, konnte nur noch die Zeitung am nächsten Tag (bzw. beim Dow Jones am übernächsten Tag) weiter helfen. Außerdem lief unter der Service Nummer „01168“ eine telefonische Endlosschleife mit Börsenkursen, die dreimal am Tag aktualisiert wurde. Unter „01167“ konnte man übrigens freitags die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen für die samstäglichen Fussball-Bundesligapartien abfragen. Die beiden Bereiche „Kommunikation“ und „Informationsbeschaffung“ haben in den letzten 30 Jahren eine wahnsinnig schnelle Veränderung durchlebt und man kann heute im Prinzip all das mit einem Gerät in der Größe eine Zigarettenschachtel – namens I-Phone – abdecken. Die Welt des Internets hat alles radikal verändert und erleichtert. Wenn ich überlege, was das früher für ein Aufwand war, selbst wenn man sich nur im europäischen Ausland aufgehalten hat, über die aktuelle Nachrichtenlage informiert zu sein. Heute muss man zweimal mit dem Zeigefinger auf die Bildfläche tippen und man ist am anderen Ende der Welt „online“ und kann kostenlos telefonieren. Das einzige Problem für mich heute: Ohne Lesebrille geht da gar nichts. Aber im Ernst: Was könnte das ganze Geschäft heute so einfach und leicht sein…
Aber so wie die Verbindung von Kommunikation und Information durch das Internet erleichtert und verbessert wurde, ist in den letzten Jahren in der Finanzindustrie eine mögliche Verbesserung der Effizienz und damit auch die Chance dem Verbraucher bessere und vor allem auch preiswertere Produkte zu liefern, durch eine unglaubliche – für Außenstehende teilweise nicht nachvollziehbare – Bürokratie und Regulierungswut der Behörden zunichte gemacht worden.
Den Verantwortlichen in der Politik kann ich hier nur sagen: „Ihr Leut, das ist alles gut gemeint, aber Ihr schiesst hier völlig am Ziel vorbei und erreicht am Ende genau das Gegenteil, von dem, was Ihr bezwecken wollt.“ In den 80er und auch 90er Jahren konnte ein Anleger nach einem 30-minütigen Gespräch, in dem man die wichtigsten Dinge, wie „Risikobereitschaft“, „Anlageziel“ und „Anlagedauer“ geklärt hatte, in einer 15-minütgen Prozedur ein Konto bzw. Depot eröffnen und los ging’s. Die Depoteröffnungsformulare umfassten maximal 2 DIN-A 4 Seiten. Heute muss ich den Interessenten erst einmal wieder nach Hause schicken und die 50 (!) Seiten umfassenden Beratungsprotokolle, Risikoaufklärungen, Geldwäschefragebogen und Identifikationsformulare vor- (bzw. nach)bereiten. Das Ende vom Lied ist für mich hier klar – wer es genau wissen will, braucht nur nach Großbritannien zu schauen, wo die Regulierungswut sogar dazu geführt hat, ein Provisionsverbot für Finanzgeschäfte einzuführen. Für 30% der Bevölkerung (und zwar die, die man eigentlich schützen wollte) bleibt der Zugang zu den meisten Finanzprodukten verwehrt, weil es schlicht und einfach NICHT LOHNT, Kleinanleger zu „beraten“ bzw. diese nicht das für die Beratung fällige Honorar bezahlen können. Das Kernproblem hier, den Anleger vor Verlusten zu schützen, erreiche ich nicht mit dem Versuch ihn mit 40 oder 50 Jahren schlau zu machen. Das müsste eigentlich in der Schule auf dem Lehrplan stehen. Das ist genauso, wenn man versucht, dem Patienten zu erklären, welche chemischen Reaktionen das Medikament A oder das Medikament B in seinem Körper auslöst. Das Problem löse ich nur, wenn ich bei den Zulassungsbedingungen (sowohl für den Arzt, als auch für den Finanzberater) den Hebel ansetze. Das hat die Politik auch versucht, aber nur halbherzig. Das neueste „Regulierungsmonster“, das auf uns zukommt, heisst „Wohnungsbau-Richtlinie“. Ich habe in den letzten 30 Jahren über 1.500 Baufinanzierungen mit einem Volumen von über 200 Millionen Euro an diverse Banken vermittelt bzw. betreue diese. Da wäre der erste noch zu finden, der nicht weiss, dass man ein Darlehen auch zurückzahlen muss, bzw. dass sich während der Darlehenslaufzeit nach Ablauf der Festschreibung auch die Zinsen ändern können. Ich befürchte aber, dass auch dieses Geschäft künftig „tot reguliert“ wird, bzw. freie Berater, die hier ein für den Kreditsuchenden durchaus sinnvolles Geschäftsmodell umsetzen, die Lust verlieren sich weiter in diesem Bereich zu engagieren. Neben der Politik gibt es für mich eine weitere Gruppe von Hauptschuldigen für diese Entwicklung. Die „Prozess-Hansel“. In unserem Land gibt es eine zusehends wachsende Zahl von Leuten, die definitiv über Chancen und Risiken aufgeklärt wurden, aber wenn die Chance ausbleibt und das Risiko eintritt, dann zum Anwalt rennen und klagen. Wenn’s läuft wird der Gewinn eingesteckt und wenn es mal nicht so läuft, was im Leben dazu gehört und immer mal wieder vorkommt, wird geklagt. Und es gibt in diesem Land anscheinend auch immer mehr Gerichte, die diese Strategie noch fördern. Wer mit seiner Anlage mehr als den risikolosen Zins (der derzeit bei NULL liegt) erzielen will, muss zwischenzeitlich ggf. Verluste in Kauf nehmen. Und wenn die Zinsen in den letzten 10 Jahren gestiegen (anstatt gesunken) wären, hätte wahrscheinlich kein einziger Kreditkunde seine Bank wegen einer falschen Widerrufsbelehrung verklagt. Alle, die das gemacht haben (inklusive ihrer anwaltlichen Gehilfen), sind für mich Egoisten (das ist noch die vornehme Bezeichnung), die sich auf Kosten der Allgemeinheit versuchen einen Vorteil zu verschaffen. Und den „Salat“ (in Form der neuen Wohnungsbaurichtlinie) haben jetzt alle auf dem Tisch. Und am Ende des Tages haben alle (außer der Papierindustrie) nur Nachteile aus dieser Entwicklung.