In einem Leitartikel in der „Zeit“ am 14.7.2011 haben Sie eine gnadenlose Abrechnung mit der Finanzbranche vorgenommen, in der Sie sogar vor dem „S“- Wort nicht Halt gemacht haben, das genauso wie sein großer Bruder namens „F“- Wort, eigentlich in seriösen Artikeln verpönt und tabu ist.
Aber das macht Sie in meinen Augen nur sympathischer.
Sie haben die Menschheit in 3 Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe mit 98% sind in Ihren Augen „anständige Kerle“, wobei ich hoffe, dass Ihnen da Alice Schwarzer nicht den „Kümmel reibt“ und Sie wegen Verstoßes gegen das Gleichstellungsgesetz verklagt.
Wobei ich mir 100% sicher bin, dass unter Ihrer Verantwortung ein solches Bürokratie-Monster wie das „Gleichstellungsgesetz“ niemals das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hätte.
Die 2. Gruppe sind die Verbrecher und die 3. Gruppe sind in Ihren Augen Investmentbanker und Fondsmanager, die uns allen, ich zitiere Ihre Worte „die momentane Scheiße eingebrockt haben“
Wenn ich an dieser Stelle eine erste kleine Zwischenbilanz ziehe, heißt das für mich:
1. Investmentbanker und Fondsmanager sind schon ein ganz spezielles Volk.
2. Sie sind zwar keine Verbrecher, aber anständige Kerle sind Sie auch nicht.
Da ich mich im Entfernten ja auch dieser Berufsgruppe zugehörig fühle, muss ich an dieser Stelle allerdings meinen Finger heben und sagen „Einspruch, Herr Schmidt“
Mal abgesehen davon, dass meine Mutter ganz schön mit mir schimpfen wird, wenn ihr Sohn als „nicht anständiger Kerl“ gilt, sind Investmentbanker und Fondsmanager wie alle anderen Berufsgruppen auch zu 98% normale anständige Leute, die verantwortungsvoll ihrem Job nachgehen, der da nämlich heißt: Das Ihnen anvertraute Kapital zu vermehren. Und das ist in der heutigen Zeit eine verdammt schwere Aufgabe.
Und genau wie im Fußballstadion gibt es eine Randgruppe von Idioten. Im Fußballstadion wird das in Form von Gewalt ausgelebt und in der Finanzbranche kommt dann die sogenannte „Weißkragen-Kriminalität“ ins Spiel. Diese Randgruppen liefern dann „medialen Brandstiftern“, und in diese Schublade muss ich Sie mit Ihrem o.g. Artikel leider auch stecken, die nötigen Argumente, um die ganze Mannschaft sprich Branche an den Pranger zu stellen.
Von einem Mann mit Ihrer Weisheit und Lebenserfahrung hätte ich schon erwartet, dass Sie hier nicht zu billigen Pauschalierungen greifen, sondern den Dingen etwas differenzierter auf den Grund gehen.
Die Vertrauenskrise im Jahr 2008 wurde in der Tat durch die Gier einiger weniger Finanzmarktakteure ausgelöst, Sie konnte aber erst durch die Dummheit der ganzen Investoren, die diesen US-Subprime-Schrott gekauft haben, zu dieser Dimension anwachsen.
In der aktuellen Vertrauenskrise aber den Finanzmarktakteuren die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist nicht fair und auch definitiv falsch. Die Überschuldungsproblematik einzelner Volkswirtschaften liegt einzig und allein im Verantwortungsbereich Ihrer ehemaligen Kollegen, nämlich den Politikern. Sie sind nicht in der Lage – wie es jeder Firmenchef in der Privatwirtschaft machen muss – weniger Geld auszugeben, als sie einnehmen. Die von Ihnen gescholtenen Investmentbanker und Fondsmanager tragen im Gegenteil noch mit erheblichen Steuerzahlungen dazu bei, das wenigstens etwas Geld in die chronisch klamme Kasse des Staates hereinkommt. In Berlin haben wir schon die Situation, dass es mehr Transferempfänger als Transferzahler in der Bevölkerung gibt. Ich befürchte, dass wir diesen Status bald auch für die Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland vermelden müssen. Und da sind wir noch die Einäugigen unter den Blinden.
Der Lebensstandard in den europäischen Ländern, sowie in den USA und Japan ist in den letzten 50 Jahren in einer Dimension gewachsen, wie in 1.000 Jahren zuvor nicht.
Gleichzeitig ist aber das Anspruchsdenken der Bevölkerung mittlerweile in eine Phase geglitten, wo Besitzstandwahrung und Sicherung der eigenen Interessen immer stärker in den Vordergrund rücken. Es wird immer schwieriger Personen zu finden, die sich bereit erklären, ein Ehrenamt zu übernehmen und eigene Interessen hinter die der Allgemeinheit zurück zu stellen. Bei den 98% ihrer „anständigen Kerle“, wächst die Zahl der Egoisten und Arschlöcher (das darf ich hier so sagen), die nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind, täglich an. Und mit solchen Artikeln liefern Sie denen noch die Rechtfertigung für ihr Handeln. „Schuld daran, wenn es mit unserer Gesellschaft abwärts geht, sind ja einzig und allein die bösen Investmentbanker und Fondsmanager!“
Wir haben bei uns im Land im Bereich „Finanzwissen“ in der Bevölkerung ein Niveau, das ist „unterirdisch“! Würden die Leute Ihren Finanzen die gleiche Zeit widmen, wie dem Autokauf oder der Wahl des Handytarifs, hätten wir viele Reglementierungen, die in der letzten Zeit in inflationärem Maß eingeführt wurden, nicht gebraucht. Und mit dem aktuellen Krisengerede wird die Unsicherheit der Leute, die eh nicht wissen, was Sie mit Ihren Spargroschen machen sollen, noch verstärkt.
Die wichtigste Grundregel im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr ist VERTRAUEN. Für alle die das schon wieder vergessen haben: Das große Problem in Folge des Lehman-Zusammenbruchs im Jahr 2008 war die Tatsache, dass die Banken sich gegenseitig nicht mehr vertrauten und der Kreditmarkt austrocknete, weil keiner wusste „wer ist der nächste“. Alle renommierten Wirtschaftsanalytiker kamen in der Aufarbeitung der Krise zu der Erkenntnis, dass es ein Fehler war, das schwächste Glied der Kette „zu opfern“.
Das neue „Lehman“ heißt Griechenland und die Verantwortlichen sollten wissen, was Sie zu tun haben. Zeigt endlich mal Geschlossenheit und zeigt den „bösen“ 2% meiner Kollegen, wer der Chef im Ring ist. Ich wünsche mir Politiker, die handeln und nicht reden!
Wie wäre es denn, lieber Herr Schmidt, Sie nehmen sich im nächsten Leitartikel mal Ihre ehemaligen „Kollegen“ zur Brust. Es brennt, aber noch ist es nicht zu spät! Und die Hand am Wasserschlauch haben nicht die Fondsmanager, sondern die Politik! Und wer das Feuer gelegt hat, das klären wir, wenn der Brand gelöscht ist. Dafür haben wir jetzt keine Zeit!