Archiv für September 2010

Viel Rauch um alles

20 September 2010

An diesem Wochenende heißt es zwar erst zum 177. Mal „Ozapft is“, aber das weltgrösste Volksfest, das Oktoberfest in München, feiert 200-jähriges Jubiläum.

Die Gründe hierfür liegen schlicht und ergreifend darin, dass es in den vergangenen 200 Jahren auch etliche Jahre gab, wo bedingt durch Kriege und Cholera -Epidemien verständlicherweise niemand so richtig zum Feiern zumute war.

Wie es sich bei einem ordentlichen Jubiläum gehört, wartet die „Wiesn 2010“ mit einer durchgreifenden Neuerung auf:

Ein junger Mann namens Sebastian Frankenberger aus Passau schaffte es in Bayern einen Volksentscheid herbeizuführen, in dem sich 61% aller abgegebenen Stimmen für ein striktes Rauchverbot aussprachen und so steht uns aufgrund des seit dem 1. August 2010 geltenden Gesetzes das erste rauchfreie Oktoberfest bevor.

Für mich persönlich war das Ergebnis des Volksentscheides etwas überraschend, da ich gedacht hatte, dass es wohl eher die Raucher „zur Verteidigung Ihrer persönlichen Freiheit“ zu den Wahlurnen zieht. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 37% haben da wohl einige vom Dunst umnebelt vergessen, um was es da eigentlich ging.

Um eventuellen Spekulationen frei nach dem Motto „Auf welcher Seite steht er denn jetzt ?“ vorzubeugen: Ich bin kein Hardcore-Raucher, der sich morgens beim Aufwachen, bevor er die Nachttischlampe anknipst, die erste Marlboro reinzieht. Aber ich definiere meine Rolle als Genußraucher, der sich, wenn es abends dunkel ist, auch mal gerne in geselliger Runde „was Braunes“ gönnt. Und das Ganze mit dem Grundprinzip: „Niemals über die Lunge“.

Ich empfinde das Rauchverbot als tiefen Eingriff in das Persönlichkeits-Recht des Einzelnen, auf der anderen Seite kann ich aber auch alle Nichtraucher verstehen, solange sie nicht militant sind oder an einem gesteigerten Selbstdarstellungsbedürfnis (in der modernen Sprache heisst das „Mediengeilheit“) leiden. Wenn sich der junge Mann in den ersten Augusttagen in Begleitung von Kamerateams demonstrativ in Festzelte stellt und Interviews gibt, sehe ich bei ihm zumindestens eine kleine Tendenz in diese Richtung.

Mit dem „totalen Rauchverbot“ ist eine Überregulierung installiert worden, bei der viele denken „wieder mal typisch deutsch“. Dabei ist die Lösung in diesem Konflikt zwischen aktiven und passiven Rauchern doch ganz einfach. Für mich steht es außer Frage, dass an öffentlichen Plätzen wie Bahnhöfen oder in Behördengebäuden ein Rauchverbot gilt und entsprechende Raucherzonen ausgewiesen werden.

Aber es muss doch jedem Wirt selbst überlassen bleiben, ob er seine Gaststätte zur rauchfreien Zone erklärt oder nicht. Der Konsument kann sich dann doch immer noch entscheiden, ob er den Laden betritt, wo geraucht wird, oder nicht. Wir haben das ganze Spiel in Hessen doch schon hinter uns, als erst eine Lockerung des Rauchverbots in letzter Sekunde den einen oder anderen Gastronomen vor der Pleite bewahrt hat. Ich kenne keinen einzigen Gastronomen, der mit Einführung des Rauchverbots über Umsatzzuwächse gejubelt hat. Und „Aktivisten“ wie Herr Frankenberger sollten auch mal mit Zahlen konfrontiert werden, wie viele Arbeitsplätze und Existenzen mit einer solchen radikalen Politik zumindest in Gefahr gebracht werden. Rauchen gehört zur Gastronomie wie der Alkohol und in beiden Fällen gilt. Man muss es ja nicht jeden Tag übertreiben.

Mit Vorschlägen „wer rauchen will, kann ja vor die Tür gehen“ löse ich vielleicht auf der Geburtstagsfeier von der „Tante Hilde“ das Problem, aber wie das logistisch gehen soll, wenn in einem 5.000 Mann Zelt die Hälfte der Leute mal eben vor der Tür eine rauchen will ? Da bin ich mal gespannt.

Man könnte ja z.B. beim Oktoberfest die Hälfte der Zelte zur raucherfreien Zone erklären und am Ende des Tages analysiert man, wieviele Prozent der Gäste denn die jeweiligen Bereiche aufgesucht haben und teilt das Ganze dann im kommenden Jahr neu auf.

Aber ich weiß jetzt schon, wie das ausgehen würde…

K(rauter) f(eiern) W(ochenende)

13 September 2010

In der kommenden Woche jährt sich zum 2. Mal der Tag, an dem die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers in den Konkurs ging und damit erhebliche Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten auslöste.

Für uns in Deutschland gab es noch ein „Sahnehäubchen“ obendrauf, denn die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), transferierte noch eine Zahlung von 320 Mio. Euro an die Pleite-Bank, obwohl die Insolvenz seit Stunden öffentlich bekannt war und die Schlagzeilen sämtlicher Nachrichtenticker beherrschte.

„Deutschlands dümmste Bank“ titelte seinerzeit die Bild-Zeitung und es war leicht auszurechnen, daß die Verantwortlichen für diese „Slapstick-Komödie“ jeden Bundesbürger mit einem Betrag von 4 Euro belastet haben.

Der Insolvenzverwalter hat sich jedenfalls über die unverhoffte „Spende“ damals sehr gefreut.

In der vergangenen Woche gab es jetzt neue Nachrichten zu dem Fall.

Auf der Internetseite des Nachrichtensenders n-TV stand Mitte der Woche zu lesen, daß die Staatsanwaltschaft jetzt die Ermittlungen gegen 5 Vorstandsmitglieder der KFW eingestellt hat, weil Ihnen kein Vorsatz nachzuweisen war.

Immerhin haben die Strafverfolger dafür 2 Jahre gebraucht, um das festzustellen.

Aber mal der Reihe nach: Vorsatz ? Das hätte ja bedeutet, daß der Verantwortliche über die Pleite von Lehman Brothers informiert gewesen wäre und in voller Kenntnis dieser Information trotzdem die Überweisung durchgeführt hätte, wohlwissendlich, dass er damit einen Schaden von 320 Mio Euro für die Staatskasse verursacht.

Diese Konstellation ist relativ unwahrscheinlich und wenn, hätte der Verantwortliche sofort entmündigt und in eine geschlossene Anstalt eingeliefert gehört.

Das Hauptproblem liegt doch darin, daß die Bank im wahrsten Sinne des Wortes die dramatische Entwicklung an diesem Wochenende „verschlafen“ hat und „man“ am Montag zur Tagesordnung übergegangen ist, als wäre nichts passiert.

Aber letztendlich muss es doch eine Person geben, der diese Überweisung entweder manuell oder elektronisch auf den Weg gegeben hat. Bei einem Betrag dieser Größenordnung ist es kaum vorstellbar, daß nicht nur eine Person, sondern ein ganzer Stab mit der Angelegenheit vertraut war.

Und diese „Krauter“ gehören zwar nicht wegen Vorsatz angeklagt aber zumindest wegen Dummheit, Faulheit, Inkompetenz oder „grober Fahrlässigkeit“ wie das im Juristendeutsch heisst. Was bei mir auch noch nach 2 Jahren den Blutdruck anschwellen lässt, ist die Vorstellung, daß der eine oder andere für diesen „Bockmist“ Mitverantwortliche wahrscheinlich in diesem Jahr schon wieder einen Bonus für „verdienstvolle, herausragende“ Leistungen erhält, da die KFW ja in diesem Jahr, wie die meisten Banken, wahrscheinlich wieder einen ordentlichen Gewinn ausweisen wird

Wir verwalten insgesamt nur knapp die Hälfte des Betrages der hier mit einer Überweisung „in den Wind geschossen“ wurde, aber ich kann mich nur zu gut (und überhaupt nicht gerne) an diese Zeit erinnern und kann für mich nur feststellen, dass ich in dieser Zeit alles andere als entspannt geschlafen habe, des Öfteren nachts schweissgebadet aufgewacht bin und den Ticker eingeschaltet habe, um über die neuesten Marktentwicklungen informiert zu sein und ggf. notwendige Entscheidungen zu treffen.

O.k., die Verantwortlichen bei der KFW sind Angestellte und Beamte und werden – im Gegensatz zu mir – nicht leistungs- bzw. erfolgsabhängig bezahlt. Aber Sie haben in meinen Augen die verdammte Pflicht mit dem ihnen anvertrauten Kapital genauso sorgfältig umzugehen, wie ein freier Vermögensverwalter.

Und da kann ich nicht an einem Wochenende, wo die Finanzwelt um ein Haar in die Luft geflogen wäre, spazieren gehen, Montags mir in aller Ruhe einen Kaffee kochen lassen, die Tageszeitung und den „Kicker“ lesen und dann vielleicht um 10 Uhr mal schauen, was es denn so Neues in der Welt gibt.

Mit der Strategie nach dem Motto: „wir lassen das im Sande verlaufen, der wahre Schuldige wird nie ermittelt werden“ erweist die Justiz in diesem Fall, dem ohnehin belastetem Verhältnis zwischen der Finanzwelt und der sog. „Realwirtschaft“ einen Bärendienst. So kommt mir die ganze Entwicklung jedenfalls vor.

Aber vielleicht gibt es ja jemand, der mal darüber nachdenkt (die Geschädigten bei dieser Aktion sind wir alle) und die Initiative ergreift.

Meine Unterstützung hat er…

Thilo „Mudschaheddin“

6 September 2010

Kaum ein Tag verging in der vergangenen Woche, an dem nicht Neuigkeiten aus dem Buch des ehemaligen Berliner Finanzsenators und jetzigem Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarazzin mit dem Titel „Deutschland schafft sich ab“ über die Medien publik wurde.

Was mir dabei aufgefallen ist: Das Buch erschien erst am Mittwoch, aber die ganze Woche vorher wurde über die dort verbreiteten Thesen von allen möglichen Oberschlauen, Wichtigtuern, Dummschwätzern und Nasenbohrern, die meinten den Inhalt kommentieren zu müssen, schon heftigst diskutiert.

Um es vorweg zu nehmen: Mir geht es in diesem Beitrag nicht darum, Inhalte dieses Buches zu bewerten. Dazu müsste ich es erst gelesen haben. Genau das empfehle ich aber auch allen, die vorab ihren Senf dazu geben:

Mund halten – Buch lesen – Hirn einschalten- und dann vielleicht diskutieren und kommentieren.

Sie alle haben doch oft genug erlebt, dass Äußerungen, wenn Sie aus dem kompletten Zusammenhang herausgerissen werden, plötzlich mitunter in einem völlig anderen Licht erscheinen.

Was mir außerdem bei der ganzen Diskussion aufgefallen ist, war die Häufigkeit des Grundtons nach dem Motto „Recht hat der Mann, aber man darf das so nicht sagen“.

Meine Meinung dazu (unabhängig von der Sache und vom Inhalt):  Wir haben in Deutschland Meinungsfreiheit. Jeder kann nicht nur denken, sondern auch sagen was er will (erst recht, wenn er recht hat). Und jeder sollte mal darüber nachdenken, was denn eigentlich schlimmer ist. „Jemand sagt die Wahrheit, die aber so eigentlich nicht ausgesprochen werden kann“ oder „jemand sagt die Unwahrheit, aber das sind genau die Sätze, die alle hören wollen und alle sind sie zufrieden“.

Mir ist da die Variante 1 definitiv lieber und gerade die Politiker aller Couleur, die sich teilweise mit nicht zu überschauender gespielter Entrüstung über Herrn Sarazzin aufregen, sollten sich da einmal Gedanken darüber machen.

Ich befürchte, dass wir den Menschen in diesem Land in den nächsten Jahren noch sehr oft Dinge sagen müssen, die unbequem sind und die viele nicht hören wollen.

Rente mit 67 ?. Wer 1 und 1 zusammenzählen kann, weiß, dass beispielsweise meine Generation der heute 40-50 Jährigen, wenn es einmal so weit ist, nicht über Rente mit 67 diskutieren wird, sondern über die Rente mit 80 !

Mangelnde Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen ? Beinahe täglich liest man in Zeitungsberichten, dass beim Sportverein in X oder beim Gesangverein in Y die Jahreshauptversammlung abgebrochen und neu terminiert wurde, weil sich keine Leute gefunden haben, die ein Vorstandsamt übernehmen wollten. Aber jeder sollte sich mal überlegen, wie denn in unserer Region die Strukturen aussehen, wenn die Vereinsarbeit wegbricht. Hier ist die Politik gefordert, vielleicht auch mal ein paar kleine Steueranreize für Leute, die ein Ehrenamt bekleiden, anzubieten.

Und die ganze demographische Entwicklung (beschrieben mit dem „Unwort bzw -satz“ „zu niedrige Reproduktionsrate, die durch Zuwanderung kompensiert werden muss“ führt dazu, dass sich jeder in diesem Land mit dem Thema „Zuwanderung“ auseinandersetzen muss, wenn wir den Lebensstandard in Deutschland im internationalen Vergleich  halten wollten.

Dem Hartz IV Empfänger hierzulande geht es im Jahr 2010 definitiv besser als 85% der Weltbevölkerung. Aber es steht nirgendwo in Stein gemeißelt, dass das auch die nächsten 50 Jahre so bleiben muss.

Der Chefvolkswirt einer Schweizer Großbank sagte unlängst in einem Vortrag sinngemäß: „meine Frau kam aus der Kirche heim und erzählte mir, dass dort eine Kollekte für indische Waisenkinder gemacht wurde. Da hab ich zu ihr gesagt: In 50 Jahren werden Sie in Indien Spenden für die deutschen Rentner sammeln.“

Und auch hier wird nicht nur Herr Sarazzin sagen: Da sollte man mal drüber nachdenken…