Schöne neue Welt

15 Januar 2016 von Max Kommentieren »

Als ich Mitte der 80er Jahre während meines BWL-Studiums meine ersten Schritte als „Aktien-Kleinsparer“ unternahm, gab es drei Börsenregeln, die jeder Bank-Azubi, wenn man ihn nachts um drei Uhr weckte, im Halbschlaf herunter beten konnte.

  • Fallende Zinsen sind gut und steigende Zinsen sind Gift für die Börse
  • Ein steigender Dollar ist gut, und ein fallender Dollar ist Gift für die Börse
  • Ein fallender Ölpreis ist gut und ein steigender Ölpreis ist Gift für die Börse

Ein paar Jahre später machte ich dann meine ersten „Gehversuche“ als Vermögensberater.

10 Jahre vor dem Börsengang der Dt. Telekom war es eine echte „Missionarsaufgabe“ Investmentfonds unter das breite Volk zu bringen. Von Anfang an faszinierte mich dabei die Möglichkeit, das man auch mit Mini-Beträgen von 50 Mark im Monat sich an einem breit gestreuten Aktienportfolio beteiligen konnte, das von Profis gemanagt wurde.

Damals gab mir ein erfahrener Senior-Manager des Deutschen Investment-Trust (DIT), der damaligen Fondstochter der Dresdner Bank den Rat: „Junger Mann, wenn Sie Ihren Kunden eine Kombination aus 70% Deutscher Rentenfonds und 30% Concentra (dt. Aktien) verkaufen, können Sie nachts immer ruhig schlafen und haben auf Dauer hochzufriedene Kunden.

30 Jahre später können wir kurz und knapp resümieren: „Der Mann hat Recht gehabt.“

Wer in den letzten 30 Jahren 200 € monatlich in der entsprechenden Gewichtung investiert hat, kann heute auf ein Guthaben von über 221.000 € verfügen. Selbst unter Berücksichtigung von 5% bzw. 2,5% Agio hat der Anleger mit einer Rendite von knapp über 6,50 p.a. ein Ergebnis erzielt, dass nur von einer Strategie übertroffen wurde – nämlich 100% in Aktien. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass der „100%-Aktien-Sparer“ in den letzten 30 Jahren mindestens 5-mal das nassgeschwitzte Hemd (und 2008 wahrscheinlich auch die Unterhose) wechseln musste.

Eine wahre Herkulesaufgabe steht uns allerdings bevor, wenn dieser Kunde jetzt sagt „30 Jahre habe ich jetzt für meine Altersversorgung angespart – jetzt möchte ich mit diesem Guthaben meine monatliche Rente aufbessern.

Im Gegensatz zur Situation in den letzten 30 Jahren ist die Basisverzinsung von durchschnittlich 5% auf der Rentenseite seit gut 2 Jahren nämlich „ersatzlos gestrichen“ und wer das kleine 1-mal-1 der Rentenanlage beherrscht, weiß, dass ich bei einer Grundverzinsung von 0% mit einer Investition in Zinspapiere keinen guten Deal mache. Spätestens im Jahr 2016 werden die Rentenfondsanleger hier auf dem Boden der Tatsachen landen. Von daher gilt der alte Spruch von André Kostolany : „Wer gut schlafen will kauft Renten und wer gut essen will, kauft Aktien“ nur noch bedingt. Als der alte Herr noch gelebt hat, gab´s noch den risikofreien Zins von 5%, heute liegt der selbst bei der ersten Stelle hinter dem Komma bei 0. Der Dollar hat gegenüber dem Euro in den letzten 2 Jahren um 30% zugelegt und der Ölpreis hat sich in den letzten 3 Jahren gedrittelt.

Aber an der Börse scheint die Botschaft noch nicht angekommen zu sein. Für mich ist das in der aktuellen Situation die beste aller Welten. An alle drei Regeln (siehe oben) kann man momentan einen dicken grünen Haken machen. Das war in den vergangenen 30 Jahren äußerst selten der Fall.

Die Dividendenrendite der großen deutschen Aktiengesellschaften liegt um ein vielfaches über der Rendite von 10-jährigen Bundesanleihen.

Aber plötzlich scheint auf einmal ein fallender Ölpreis die Börse zu belasten – und es soll tatsächlich Marktteilnehmer geben, die auf einen Zinsanstieg hoffen. Wer solche Kommentare von sich gibt, hat in meinen Augen an der Börse nichts zu suchen und in den Medien schon gar nicht !

Trotz allem Optimismus halte ich aber den Ausspruch „Dividende ist der neue Zins“ für eines der gefährlichsten Argumente, mit dem je für einen Einstieg in Aktien geworben wurde.

Dividenden sind keine Zinsen. Dividenden sind nicht garantiert und vor allem habe ich bei Aktien (im Gegensatz zu Anleihen) keinen bedingten Rückzahlungsanspruch. Was nützt mit eine Dividende von 50 Cent, wenn die zugrundeliegende Aktie dann von 20 € auf 10 € abschmiert. (RWE und E.ON lassen grüßen).

Mit dem Argument „Dividende ist der neue Zins“ werden Anleger in Aktien gelockt, denen möglicherweise die wichtigste Eigenschaft des erfolgreichen Anlegers fehlt, nämlich die sogenannte „Volatilitätstoleranz“, d.h. die Eigenschaft auch zwischenzeitliche Kursverluste entspannt mit der linken Arschbacke auszusitzen.

Wer diese Geduld hat, dem prophezeie ich goldene Zeiten.

Und allen, die dagegen argumentieren und sagen der Markt wäre aktuell zu teuer, sei die kleine Quizfrage gestellt.

Wie entwickelte sich der DAX in der Zeit vom 01.01.1988 – 31.12.1999 ? und

Wie entwickelte sich der DAX in der Zeit vom 01.01.2000 – 31.12.2015 ?

Selten war das Umfeld für Aktien so günstig wie zur Zeit, aber es war auch noch nie so schwer kurzfristige Prognosen abzugeben. Von daher habe ich mir eine Prognose für 2016 verkniffen und stattdessen die Devise 25.000 DAX-Punkte im Jahr 2025 ausgeben.

Das hat den Vorteil, dass ich dieses Kursziel nicht schon nach 5 Börsentagen im neuen Jahr korrigieren muss. Und der Druck hinten links wird wohl im Verlauf des ersten Quartals nachlassen.

Dem künftigen Rentner empfehle ich heute: Drehen Sie die Gewichtung einfach um und wechseln Sie die dann 30% Renten gegen Cash bzw. Liquidität aus. Und vergessen Sie nicht nach guten Börsenjahren auch etwas vom Aktienkonto abzuheben und sich was zu gönnen –Kostolany hätte das genauso gemacht.