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„1984“ aus der Sicht von „2010“

23 August 2010

In dem 1948 entstandenen seinerzeitigen „Science-Fiction“-Roman „1984“ beschreibt der englische Autor George Orwell das Leben im Jahr 1984. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema „staatliche Kontrolle und Überwachung“ durch dieses Buch.

Jetzt leben wir im Jahr 2010 und 1984 erscheint uns rückblickend fast wie ein Leben auf einem anderen Stern, Handys gab es damals noch keine, Internet ebenfalls nicht und PCs waren nur vereinzelt zu finden. Und heute ?

Kennen Sie „Google Earth“ ? Ausgehend von einem Globus können Sie sich an Ihrem PC an jeden Platz der Welt sozusagen „hinzoomen“: Ein kleiner Blick über den Petersplatz in Rom, dann zum Eiffelturm nach Paris, über den Atlantik zur Wall Street nach New York und dann nach einem kleinen Abstecher über die Harbour-Bridge mit Oper in Sydney und den Buri-Khalifa-Tower in Dubai kann man dann mit einem Blick auf das WERKStadt-Gelände in Limburg die virtuelle Weltreise beenden.

Die Möglichkeiten, die die heutige PC-Kultur über das Internet bietet, sind schlichtweg überwältigend. Dank Wikipedia gibt es keine Quizfrage, die nicht innerhalb von Sekunden beantwortet werden kann und wenn man eine Fernsehsendung verpasst hat, kann man sich dieselbe über den „Livestream“ bzw. die „Mediathek“auf der Online-Seite des jeweiligen Programms dann anschauen, wenn man Zeit dafür hat.

Und wenn es in einem irgendeinem Spiel in einer der zahlreichen Fussball-Ligen dieser Welt eine spektakuläre, sehenswerte Aktion gab, dauert es keine halbe Stunde und man kann diese auf zahlreichen Videos im Online-Portal „Youtube“ bewundern, genauso wie den Gesangsauftritt vom Onkel Erwin auf der 80-jährigen Geburtstagsfeier von „Backsteins Erna“, als bei der 2. Strophe mit 1,5 Promille ins Blumenbeet gefallen ist.

Sie können sich informieren, wie die Tagestemperatur und die Regenwahrscheinlichkeit in der nächsten Woche an Ihrem Urlaubsort ist und selbst in Neuseeland können Sie sich per Online-Ausgabe Ihrer Lokalzeitung über die neuesten Nachrichten aus der Heimat informieren. 1993, das ist ganze 17 Jahre her, bin ich noch durch halb San Francisco gelaufen, um eine 3 Tage alte deutsche Zeitung aufzutreiben.

Diese ganzen Beispiele zeigen, dass das Internet das Leben heute in vielen Dingen leichter und einfacher macht, aber wie bei allem im Leben haben diese Vorteile auch einen Preis. Und dieser Preis lautet: „teilweiser Verlust der Anonymität und der Privatsphäre.“ Und genau diese Frage wird ja derzeit massiv in der Öffentlichkeit diskutiert.

„Google Street-View“ heißt das neue Zauberwort und ist eigentlich die logische Fortsetzung von „Google Earth“, da sie dann nicht nur den Petersplatz oder den Eiffelturm aus der „Flugzeugperspektive“ sehen, sondern sie sitzen sozusagen in einem virtuellen Auto und können dann in Paris die Champs-Elysees entlang fahren und haben den gleichen Ausblick, als wenn sie mit einem Bus gerade in Paris eine Stadtrundfahrt machen. Ich finde das total spannend und wir sind eigentlich gar nicht mehr weit davon entfernt, uns wie der legendäre Mr. Spock im Raumschiff Enterprise von A nach B zu beamen.

Aber es gibt auch Spielverderber. Sensibilisiert von den Verbalattacken einiger Datenschützer hat sich sogar unsere Regierung diesem Thema in einer eigens dafür einberufenen Kabinettsitzung am vergangenen Mittwoch gewidmet.

Stimmen wie „das ist ja eine Einladung an alle Einbrecher, die können genau mein Haus ausspionieren“ wurden laut.

Da frage ich mich, in welcher Welt leben diese Leute denn ? Da gibt es aber weiß Gott viel gravierendere Dinge über die ich mich als Datenschützer aufregen kann.

Ortung von Handys, Rekonstruktion von Telefongesprächen, Überwachung von Geldtransaktionen, nahezu kein öffentlicher Platz mehr ohne Videoüberwachung, Digitalisierung von Krankenakten. Das sind alles Dinge die a) viel gravierender in die Privatsphäre eingreifen und b) ja nicht aus Schikane oder Jux und Dollerei gemacht werden, sondern für alle Beteiligten entweder mehr Sicherheit bringen oder auch zur Prävention bzw. Aufklärung von Straftaten nützlich sind.

Und wenn sich unsere Regierung jetzt „Google Street View“ widmet, erinnert mich das irgendwie an das Märchen vom Rotkäppchen und dem Wolf.

Alles was auf diesen modernen Internetplattformen wie Youtube, Google, Wikidepia und wie Sie alle heißen passiert, ist nichts anderes als ein Austausch von Informationen und damit ein Geben und Nehmen aller beteiligten Nutzer. Und das, was früher mit der Buschtrommel gemacht wurde, geht heute mit Tastatur und Webcam. Was besser ist, darüber brauchen wir, glaube ich, nicht lange nachzudenken.

Ich jedenfalls habe kein Problem damit, dass mein Haus oder mein Büro im Internet zu sehen ist und ich glaube auch, dass das kaum jemand interessiert. Und wenn doch, kann ich das nicht verhindern. Auf alle Fälle gibt’s da im Internet interessantere Beschäftigungsmöglichkeiten. Hätte ich bei Google was zu sagen, dann würde ich die Seite für alle die sperren, die nicht bereit sind „Informationen“ einzubringen.

Darüber sollten alle nachdenken, die vielleicht in der Feld-/Wald-/Wiesen-Straße in „Quetschemembach“ wohnen und sich in Ihrer „Privatsphäre“ verletzt sehen, nur weil jemand mal ihr Haus fotografiert hat und man in „Quetsche-M.“ eine virtuelle Ortsbesichtigung machen kann.

Das ganze Thema ähnelt den Diskussionen über Windkraft-Standorte in unserer Region. Alle sind Sie für regenerative Energien, weil „man muss ja umweltbewusst leben und sauberen Strom produzieren“. Aber wehe es kommt einer auf die Idee und will eine solche Anlage in Sichtweite des eigenen Hauses bauen…