Max Stillger zum Thema „Videobeweis“
Jahrzehntelang lebte der Fußball an Montagen und Dienstagen von der Diskussion über die Spiele des vergangenen Wochenendes. War es Abseits? War die Rote Karte berechtigt? War es ein Handelfmeter?
Beim Thema „Handelfmeter“ habe ich längst den Überblick verloren, das legt jeder aus, wie er will und die „Regelmacher“ schauen tatenlos zu.
Aber dafür wird ein „Oberschiedsrichter“ (nichts anderes ist der Videobeweis) eingeführt, der in Köln-Deutz in einem Keller sitzt und von dort aus über Fernsehbilder mögliche Fehlentscheidungen des Referees auf dem Platz korrigieren soll. Das führt zu teilweise kuriosen Szenen, dass das Spiel längst in eine neue Spielphase eingetreten ist, der Schiedsrichter dann eine Handbewegung macht, die wir eigentlich nur von Frau Merkel kennen. Nachdem die eine Mannschaft knapp vorbeigeschossen hat, gibt es 100 Meter entfernt auf der anderen Seite einen Elfmeter und kein Mensch im Stadion weiß mehr warum, weil die Leute nach einem kurzen Aufreger diese Situation abgehakt haben.
Beim holländischen Super-Cup zwischen Feyenoord Rotterdam und Vitesse Arnheim gab es im vergangenen Jahr sogar die kuriose Situation, dass Feyenoord das korrekte 2:0 erzielte, aufgrund einer Situation vorher im eigenen Strafraum aber der Videobeweis zum Einsatz kam und ein Elfmeter für Arnheim gegeben wurde. 1:1 anstatt 2:0. So eine Entscheidung in der 90. Minute nächstes Jahr beim Derby HSV- St. Pauli und die Polizei hat viel Spaß.
Für alle, die dann früher gesungen haben „Schiri, wir wissen, wo Dein Auto steht“ hier als spezieller Service die Adresse:
Cologne Broadcasting Service, Picassoplatz 1 in 50679 Köln – so ändern sich die Zeiten.
Für mich ist dieser Videobeweis alleine deshalb schon überflüssig, weil er den ganzen Spielfluss völlig neu definiert. Nach fast jedem Tor wird erstmal verhalten gejubelt, es könnte ja de gefürchtete Raute (nein nicht der HSV – sondern die Merkelsche Handbewegung) zum Einsatz kommen.
Das noch größere Problem aber: Es ist nicht besser geworden und es ist auch keine einheitliche Linie bei den Entscheidungen zu erkennen. Und anstatt über die Entscheidungen des Schiedsrichters, wird jetzt tagelang über die Entscheidungen aus dem Keller in Köln-Deutz diskutiert.
Das ganze Thema ist völlig unausgegoren. Meiner Meinung nach gehört z.B. das Thema „Abseits oder nicht?“ definitiv in die Verantwortung der drei Herren in Schwarz. Schon alleine aus dem folgenden Grund: Was machen wir denn, wenn der Schiedsrichter abseits gepfiffen hat und der Videobeweis zeigt, es war kein Abseits. Wie soll der Spielzug wiederholt werden? Und die Abseitsentscheidungen sind auch oft am Bildschirm – trotz diverser eingezogener Hilfslinien – nicht eindeutig.
Achtung jetzt kommt der Mathe-Leistungskurs von vor 35 Jahren:
Wenn der Zeitpunkt des Ballabspiels eine Variationszeit von schätzungsweise nur einer Zehntelsekunde hat und ein Spieler wie Timo Werner mit 35 kmh nach vorne unterwegs ist und der Abwehrspieler bewegt sich mit 10 kmh in die Gegenrichtung, dann verschieben sich diese beiden Positionen in einer Zehntelsekunde um 1,25 Meter. Anders ausgesprochen: Die eigentliche „Macht“ bei Abseitsentscheidungen, hat nicht der Oberschiedsrichter, sondern derjenige, der „aufs Knöppje drückt“ und das Fernsehbild anhält.
Ein Ausklammern der Abseitsentscheidungen hätte auch schon mal eine deutliche Reduzierung der Fälle, wo zu diesem Hilfsmittel gegriffen wird, zur Folge.
In England gab es Anfang März bei einem Pokalspiel zwischen den Tottenham Hotspurs und AFC Rochdale (5:2) die kuriose Situation, dass neben diversen Abseitsentscheidungen auch fünf der sieben Tore erst nach Einsatz des Videobeweises gegeben wurden – die Spieler also jeweils eine Minute frierend warten mussten, ehe Sie zum Torjubel ansetzen konnten.
Leute, so macht Ihr das Spiel kaputt – hört auf mit diesem Unsinn oder macht es klar und vernünftig!
Den Worten von Johannes B. Kerner in Doppel-Pass-Runde im nachstehenden Link ist nichts hinzuzufügen