Archiv für April 2016

Satire darf nicht alles!

18 April 2016

Die „Gewaltenteilung“ sorgt in demokratisch geprägten Ländern dafür, dass die Machtverhältnisse der verantwortlichen Personen begrenzt sind. Das Parlament macht die Gesetze (Legislative), die Regierung führt sie aus (Exekutive) und die Justiz sorgt für die Bestrafung, falls die Gesetze nicht eingehalten werden (Judikative). Das Straf-Gesetzbuch aus dem Jahr 1871 regelt und definiert im deutschen Recht strafbare Handlungen. Einer der am meisten strapazierten Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch dürfte der § 185 sein, der sich mit dem Begriff der „Beleidigung“ befasst:

  • 185 STGB Beleidigung: Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Damit regelt der § 185 zwar, wie eine Beleidigung bestraft wird, bietet aber keine konkrete Definition, wann eine Beleidigung vorliegt. Hierzu muss man dann die zahlreichen Kommentare zu diesem Paragraphen zu Hilfe nehmen und die „Kärrnerarbeit“ des Juristen besteht ja darin, nicht nur alle Gesetze zu kennen, sondern auch über sämtliche Urteile und Kommentare zur aktuellen Rechtsauslegung informiert zu sein.

Zu dem in den vergangenen Tagen viel zitierten „Schmähgedicht“ des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Erdogan, habe ich meine eigene Meinung. Im Gegensatz zu allen „Verfechtern der Pressefreiheit“ sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: „Satire darf auch nicht alles!“. Im Vorspann seines umstrittenen Beitrags beruft sich Böhmermann auf Artikel 5 des Grundgesetzes „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Aber wie oft hat man schon die Bemerkung gehört: „Dieser Satz wurde aus dem Zusammenhang gerissen.“ Im Fall Böhmermann ging auch die weitere Vorbemerkung „Das, was jetzt kommt, das darf man nicht machen“ bei den meisten in der ersten Wahrnehmung unter. Und das, was er dann von sich gegeben hat, fällt definitiv unter Absatz 2 des o.g. Artikel 5: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Jetzt mal völlig unabhängig davon, wer da wen tituliert. Wir überlegen uns bei der Limburger Zeitung dreimal, ob wir anstatt „Arsch“ in einem Artikel doch nicht lieber den sanfteren Begriff „Hinterteil“ verwenden und der Böhmermann kippt hier einen Lastwagen ab, in dem kein Wort der Fäkaliensprache fehlt. Und das Ganze erfüllt nicht nur den Tatbestand des § 185 (Beleidigung), sondern gleichzeitig § 186 (üble Nachrede) und § 187 (Verleumdung). Ich erspare mir an dieser Stelle das „Gedicht“ im Original aufzugreifen, da es nahezu allen Lesern bekannt sein dürfte. Ansonsten kann man sich es (trotz „offizieller“ Löschung in der ZDF-Mediathek) mit drei Mausklicken auf YouTube anschauen.

Dass der Erdogan kein Waisenknabe ist, wissen wir alle und dass in der Türkei gerade Grundrechte wie z.B. die Pressefreiheit und auch Menschenrechte mit Füßen getreten werden ist offensichtlich. Aber das berechtigt nicht, den dafür Hauptverantwortlichen als „Ziegenficker“ und „Konsument von Kinderpornofilmen“ zu bezeichnen. In den insgesamt zwölf Zeilen des „Gedichts“ ist in jeder Zeile ein Schlag unter die Gürtellinie enthalten. Wo bleibt denn da die Verhältnismäßigkeit, wenn sich jetzt „Gutmenschen“ über den Angriff auf die Pressefreiheit aufregen, die gleiche Gruppe aber den Enkel des singenden Dachdeckermeisters Ernst Neger auffordert, sein angeblich rassistisches Logo zu ändern. Und mit der Zusatz-Bemerkung: „Das ist jetzt Satire“ nehme ich einer solchen Verbal-Orgie nicht die Schärfe.

Alle, die den Finger der „Pressefreiheit“ heben, können das ja bei nächster Gelegenheit mal ausprobieren. Wenn Sie das nächste Mal die berühmte Minute zu spät zu Ihrem Auto kommen und der Ordnungspolizist gerade das „Knöllchen“ unter Ihren Scheibenwischer gesteckt hat, sagen sie zum ihm „das ist jetzt Satire“ und anschließend alles, was sie gerade denken. Auf den darauf folgenden Richterspruch bin ich mal gespannt.

Wenn man sieht, wie „Glaubensbrüder“ von Herrn Erdogan auf – in unseren Augen – völlig harmlose publizistische Beiträge reagiert haben, fehlt mir hier jedes Verständnis dafür, einen solchen Brandbeschleuniger ins Feuer zu gießen. Charlie Hebdo und das Kulturzentrum in Kopenhagen lassen grüßen. Hier haben wir es mit einer Frontalattacke auf die Mannesehre zu tun. Auch wenn der Adressat hier einem irdischen Dasein fristet. In diversen Fußball-Kreisligen erleben wir doch wöchentlich (und das bitte nicht als Vorwurf verstehen), wie der in diesem Fall angegriffene Kulturkreis mit Verbal-Attacken und vor allem den Angriff auf die Ehre umgeht. Meister der Diplomatie sind die Jungs jedenfalls nicht. Aber unabhängig davon hätte wohl auch mancher „Landsmann“ von Herrn Böhmermann Probleme damit, sich nach einer solchen „Ansage“ nicht in den Bereich des § 223 STGB zu begeben. Im Klartext: Früher, in meiner Schulzeit (als vieles – aber nicht alles – besser war), hätte es für solche Beleidigungen höchstwahrscheinlich „eine aufs Maul“ gegeben. Heute wird ja noch auf den am Boden Liegenden eingetreten.

So ist es in diesem Fall absolut richtig und notwendig, dass sich da Angela Merkel einschaltet und versucht, den angerichteten Schaden auf höchster politischer Ebene zu begrenzen. Schließlich handelt es sich bei dem ZDF, das diesen umstrittenen Beitrag ausstrahlte, um eine öffentlich-rechtliche Medienanstalt. Dass – wenn überhaupt – einzig Positive an der ganzen Diskussion ist, dass wohl über eine Abschaffung des § 103 STGB (der das Delikt der „Majestätsbeleidigung“ regelt) nachgedacht wird. Diesen Paragraphen brauchen wir in der heutigen Zeit nicht mehr, denn „Majestäten“ gibt es nicht mehr. Außerdem steht er im Widerspruch zum wichtigsten Gesetz, nämlich Artikel 1 des Grundgesetzes.

Völlig untergegangen ist in dieser Nachrichtenlage der eigentliche Ursprung dieser ganzen Entwicklung. In einer umgetexteten Form des Song-Klassikers von Nena „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ wurde in der NDR-Sendung „Extra drei“ mit der Version „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ auf Missstände in der Türkei hingewiesen und das selbstherrliche Auftreten des türkischen Präsidenten kritisiert.  Dass das darauf folgende Einbestellen des deutschen Botschafters völlig überzogen war, kann ihm Angela Merkel im Zuge der anstehenden diplomatischen Gespräche wohl hoffentlich auch vermitteln. Aber im Gegensatz zur Wortwahl von Böhmermann geht dieser Text unter FSK 12 durch.

Fans als Anleger

7 April 2016

Neben einem nahezu perfekten sportlichen Verlauf (nach 18 Spielen ohne Niederlage hat man gute Chancen auf den Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga) gab es auch für „Finanzinvestoren“ in der vergangenen Woche gute Nachrichten aus Nürnberg. Pünktlich zum 01. April wurde eine vor sechs Jahren aufgelegte „Fan-Anleihe“ zurück gezahlt. Insgesamt sechs Millionen hatte der „Club“ im Jahr 2010 überwiegend in der Anhängerschaft eingesammelt und laut Prospekt versprochen, sechs Prozent Zinsen p.a. zu zahlen. Mit dem Geld sollte dann die Infrastruktur am vereinseigenen Trainingsgelände verbessert werden, was auch in Form von Jugendinternat, Museum und Neubau der Geschäftsstelle passiert ist. Für viele selbsternannte „Verbraucherschützer“ war es damals ein gefundenes Fressen. „Da kann man sein Geld genauso gut zum Fenster hinauswerfen.“ – „So was kann man vielleicht mit dem FC Bayern machen, aber doch nicht mit einer Fahrstuhlmannschaft wie dem 1.FCN“ waren noch eher harmlose Beurteilungen. Nun sind die Kritiker aller Lügen gestraft. Aber man darf das ganze Thema auch nicht so ganz blauäugig sehen. Abgelöst wurde die „Fan-Anleihe“ jetzt durch ein Bank-Darlehen und die Bank erhält im Gegenzug eine Grundschuld auf dem Vereinsgelände als Sicherheit. Und wie jeder Häuslebauer profitiert der Verein auch hier von den mittlerweile deutlich gesunkenen Zinsen und zahlt künftig anstatt 360.000 € pro Jahr nur noch etwas mehr als 100.000 € Zinsen pro Jahr. Bei einem Gesamt-Etat von 35 Millionen € entscheidet das nicht über Leben und Tod, aber viele kleine Schritte führen auch zum Ziel. In der aktuellen Null-Zins-Phase ist für mich dieses Thema Anlass, einmal den ganzen Markt für Fan-Anleihen zu durchleuchten. Ich bin mir sicher: Außer den Schatzmeistern in der Säbener Strasse in München und in Dortmund befassen sich alle Profi-Vereine mit diesem Finanzierungsinstrument. Im Prinzip ist es nichts anderes als eine „Mittelstandsanleihe“. Man leiht einem Unternehmen (in diesem Fall dem Verein) Geld, hofft jährlich auf die versprochene Zinszahlung und darauf am Ende der Laufzeit sein Geld zurück zu bekommen. Im Gegenzug zu manchen Pleiten am Kapitalmarkt, stehen bei Vereinen nicht zuletzt auch die Gremien in der Politik unter massivem Druck, hier notfalls mit Bürgschaften als „Retter“ einzuspringen. Sicherlich ein Bonitäts-Pluspunkt, den man aber nicht für alle Zeit in der Zukunft einkalkulieren darf. Die Fans des 1. FC Köln, 1. FC Kaiserslautern, der beiden Hamburger Vereine, sowie von Hertha BSC und Schalke 04 dürften die Nachrichten aus Nürnberg mit Wohlwollen verfolgt haben, schließlich stehen auch alle diese Vereine bei Ihren Anhängern mit „Fan-Anleihen“ in der Kreide. Hier ein kleiner Überblick, der nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

 

Verein Zinssatz Volumen Auflage Laufzeit
1.FC Nürnberg 6,00% 6 Mio 31.03.2010 31.03.2016
Hertha BSC 5,00% 6 Mio 15.11.2010 15.11.2016
FC St. Pauli 6,00% 6 Mio 30.06.2011 30.06.2018
Schalke 04 6,75% 50 Mio 11.07.2012 11.07.2019
1. FC Köln 5,00% 10 Mio 01.08.2012 01.08.2017
Hamburger SV 6,00% 17,5 Mio 28.09.2012 28.09.2019
1. FC Kaiserslautern 5,00% 6 Mio 01.02.2013 01.08.2019

Lediglich die Anleihe von Schalke 04 wird täglich an der Börse gehandelt, sodass Anleger auch während der Laufzeit an Ihr Geld kommen. Beim FC St. Pauli hält sich die Legende, dass ein in Not geratener Anleger auf der Geschäftsstelle mit warmem Essen und Getränken versorgt wurde und dafür mit zwei 100 Euro Urkunden bezahlte.
Die Anhänger der Traditionsvereine Kickers Offenbach und Alemannia Aachen mussten nicht nur sportlich tapfer sein, sondern auch noch mit ansehen, wie ihr in „Fan-Anleihen“ investiertes Geld durch die Insolvenz der Vereine wie Butter in der Sonne zusammenschmolz. Diese Beispiele zeigen, dass es auch bei dieser Art von Geldanlage keinen hundertprozentigen Schutz gibt. Im Gegensatz zu Aktien, die mitunter heftig im Kurs schwanken können, suggerieren ja Anleihen durch das Rückzahlungsversprechen von 100 Prozent des Nennwerts ein gewisses Maß an Sicherheit. Wenn aber Staaten wie Argentinien oder Griechenland, Bundesländer wie Kärnten, Unternehmen wie Holzmann oder Praktiker, oder eben Fussballvereine wie Kickers Offenbach bzw. Alemannia Aachen die weiße Fahne hissen und Insolvenz anmelden oder ihre Zahlungsunfähigkeit verkünden, kann ich mir als Anleger für 2,95 Euro einen Rahmen kaufen und die Anleihe an die Wand nageln. Gerade in der letzten Woche erwischte es mit der Textilfirma Steilmann ein weiteres Unternehmen, das insgesamt drei Anleihen im Gegenwert von 70 Mio € am Kapitalmarkt platziert hatte. Der Gründer und Namensgeber des (zuletzt aber im Fremdbesitz befindlichen) Unternehmens war übrigens der legendäre Präsident und Mäzen von Wattenscheid 09, Klaus Steilmann, der wahrscheinlich angesichts dieser Entwicklung seine Lage im Sarg verändert hat.

Einen ganz neuen Weg beschritt im vergangenen Monat Hertha BSC. Mit einer „Crowdfunding-Aktion“ (auf deutsch: „Dumme gesucht und gefunden“) im Internet sammelten die Berliner innerhalb von zehn Minuten eine Million Euro ein, die für drei Jahre mit 4,5 Prozent verzinst werden. Wobei ich in diesem Fall denjenigen, die das Geld gegeben haben, sehr gute Chancen einräume, dieses auch zum Ablauf zurück zu erhalten. Auf klassischem Weg schickt sich der Hamburger SV an, zum großen Wurf anzusetzen und über eine weitere Anleihe bis zu 40 Mio €. nicht nur in seiner Anhängerschaft, sondern auch bei professionellen Investoren einzusammeln. Im Gespräch ist ein Zinssatz von vier bis fünf Prozent p.a. – bei einer Laufzeit von 5 Jahren. Aber aufgepasst liebe HSV-Fans, bevor Ihr Eure Sparkonten plündert. Die 17,5 Mio aus der bereits bestehenden Anleihe wurden nicht – wie im Prospekt vorgesehen – in den Bau eines Nachwuchsleistungszentrums investiert, sondern flossen in den Spielbetrieb. Hier ermittelte sogar die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den damaligen Vorstand unter dem Aktenzeichen „3200 Js 205/14“ wegen „zweckwidriger Verwendung“. Da müssen die aktuell Verantwortlichen ein gehöriges Maß an Überzeugungsarbeit bei den potentiellen Investoren leisten. Und schließlich müssen ja die 17,5 Millionen aus der alten Anleihe auch im Jahr 2019 zurück gezahlt werden. Apropos Rückzahlung: Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Schatzmeister der Fussballvereine bei Fan-Anleihen davon ausgehen, dass nur ca. die Hälfte aller Investoren am Ende der Laufzeit ihr Geld zurück verlangen und stattdessen mit der Urkunde die heimische Tapete verzieren. So klingt es am Ende der Pressemitteilung betr. der Tilgung der „Club-Anleihe“ fast wie eine Entschuldigung: „Für den Fall, dass Sie den durch die Rückzahlung erhaltenen Betrag an den 1.FC Nürnberg spenden wollen, ist eine Überweisung an das folgende Konto möglich….“ Daran sollten sich manche Banken mal ein Beispiel nehmen – das wäre doch eine schöne Belohnung für treue Kreditkunden. Nächste Woche widmen wir uns dann dem Thema „Panama Pampers“ – das Los des Schreiberlings war hier der frühe Redaktionsschluss.

Bürokratie killt Technik

6 April 2016

Vor ziemlich genau 30 Jahren (am 21.März 1986) unterschrieb ich als 23-jähriger Student ein rotes Formular mit der Überschrift „Gewerbeanmeldung“. Etwa in der Mitte des Formulars stand bei Zweck des Unternehmens: „Vermittlung von Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen“. Über diese beiden (damals sinnvollen) Anlageformen könnte ich auch in der heutigen Zeit abendfüllend referieren Wäre ich Autoverkäufer geworden, stünde aber dann heute ausschließlich das Thema „Wie lege ich den Rückwärtsgang ein ?“ auf der Tagesordnung. Da ich mich auch zu dieser Zeit schon – studienbedingt – intensiv mit dem Thema „Börse“ beschäftigt habe, kam dann relativ schnell eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf die Bereiche „Vermittlung von Investmentfonds und Baufinanzierungen hinzu.“ Dass das schon damals eine anspruchsvollere Tätigkeit als die ersten beiden oben genannten war, zeigt auch die Tatsache, dass man für die Vermittlung von Finanzierungen und Investmentfonds eine zusätzliche Erlaubnis der IHK brauchte, die zu diesem Zeitpunkt schon den stolzen Preis von 1.200 D-Mark kostete. Meine ersten technischen Hilfsmittel bestanden aus einer Schreibmaschine und der phasenweisen Benutzung des elterlichen Telefons, welches mit einer Wählscheibe ausgerüstet war. Kreisförmig waren die Zahlen von 0-9 dort angebracht. Man steckte den Finger in die Zahl, die man wählen wollte und liess die Scheibe dann zurück rollen. Die „1“ hatte den kürzesten Weg – bei der „0“ konnte man schon mal zwischendurch andere Geschäfte erledigen, bis die Scheibe sich fertig gedreht hatte. Die erste revolutionäre Neuerung war dann ein Tastentelefon, gleichzeitig verbunden mit einem Anrufbeantworter, dessen rotes Blinklicht die Zahl der Anrufe wider gab. Wenn ich heute die Mailbox meines Handys anwähle und die Stimme sagt „sie haben 23 Anrufe“, hätte sich das Blinklicht zu dieser Zeit wahrscheinlich gewerkschaftlich organisiert. 1988 kam dann der erste Computer und 1989 dann – welche Revolution – das erste Fax-Gerät, wo man sich dann auf Thermo-Papier gegenseitig Nachrichten schicken konnte. Weitere Meilensteine waren das erste Handy 1992 (ein GH 172 von Ericcson), der erste Internet-Anschluss 1995 und 1999 ein „Börsenpager“ (den gleichen hatte übrigens auch Uli Hoeness), der in die Hosentasche passte und mit dem man aktuelle Kurse abfragen konnte. Informationen über die Börsenentwicklung gab es Mitte der 80er Jahre Mittags um 14 Uhr im Anschluss an die Rundfunknachrichten des Hessischen Rundfunks und nach den Mitternachtsnachrichten des US-Soldatensenders AFN wurde der Schlussstand des Dow-Jones Index verkündet. Wenn man die verpasst hatte, konnte nur noch die Zeitung am nächsten Tag (bzw. beim Dow Jones am übernächsten Tag) weiter helfen. Außerdem lief unter der Service Nummer „01168“ eine telefonische Endlosschleife mit Börsenkursen, die dreimal am Tag aktualisiert wurde. Unter „01167“ konnte man übrigens freitags die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen für die samstäglichen Fussball-Bundesligapartien abfragen. Die beiden Bereiche „Kommunikation“ und „Informationsbeschaffung“ haben in den letzten 30 Jahren eine wahnsinnig schnelle Veränderung durchlebt und man kann heute im Prinzip all das mit einem Gerät in der Größe eine Zigarettenschachtel – namens I-Phone – abdecken. Die Welt des Internets hat alles radikal verändert und erleichtert. Wenn ich überlege, was das früher für ein Aufwand war, selbst wenn man sich nur im europäischen Ausland aufgehalten hat, über die aktuelle Nachrichtenlage informiert zu sein. Heute muss man zweimal mit dem Zeigefinger auf die Bildfläche tippen und man ist am anderen Ende der Welt „online“ und kann kostenlos telefonieren. Das einzige Problem für mich heute: Ohne Lesebrille geht da gar nichts. Aber im Ernst: Was könnte das ganze Geschäft heute so einfach und leicht sein…

Aber so wie die Verbindung von Kommunikation und Information durch das Internet erleichtert und verbessert wurde, ist in den letzten Jahren in der Finanzindustrie eine mögliche Verbesserung der Effizienz und damit auch die Chance dem Verbraucher bessere und vor allem auch preiswertere Produkte zu liefern, durch eine unglaubliche – für Außenstehende teilweise nicht nachvollziehbare – Bürokratie und Regulierungswut der Behörden zunichte gemacht worden.

Den Verantwortlichen in der Politik kann ich hier nur sagen: „Ihr Leut, das ist alles gut gemeint, aber Ihr schiesst hier völlig am Ziel vorbei und erreicht am Ende genau das Gegenteil, von dem, was Ihr bezwecken wollt.“ In den 80er und auch 90er Jahren konnte ein Anleger nach einem 30-minütigen Gespräch, in dem man die wichtigsten Dinge, wie „Risikobereitschaft“, „Anlageziel“ und „Anlagedauer“ geklärt hatte, in einer 15-minütgen Prozedur ein Konto bzw. Depot eröffnen und los ging’s. Die Depoteröffnungsformulare umfassten maximal 2 DIN-A 4 Seiten. Heute muss ich den Interessenten erst einmal wieder nach Hause schicken und die 50 (!) Seiten umfassenden Beratungsprotokolle, Risikoaufklärungen, Geldwäschefragebogen und Identifikationsformulare vor- (bzw. nach)bereiten. Das Ende vom Lied ist für mich hier klar – wer es genau wissen will, braucht nur nach Großbritannien zu schauen, wo die Regulierungswut sogar dazu geführt hat, ein Provisionsverbot für Finanzgeschäfte einzuführen. Für 30% der Bevölkerung (und zwar die, die man eigentlich schützen wollte) bleibt der Zugang zu den meisten Finanzprodukten verwehrt, weil es schlicht und einfach NICHT LOHNT, Kleinanleger zu „beraten“ bzw. diese nicht das für die Beratung fällige Honorar bezahlen können. Das Kernproblem hier, den Anleger vor Verlusten zu schützen, erreiche ich nicht mit dem Versuch ihn mit 40 oder 50 Jahren schlau zu machen. Das müsste eigentlich in der Schule auf dem Lehrplan stehen. Das ist genauso, wenn man versucht, dem Patienten zu erklären, welche chemischen Reaktionen das Medikament A oder das Medikament B in seinem Körper auslöst. Das Problem löse ich nur, wenn ich bei den Zulassungsbedingungen (sowohl für den Arzt, als auch für den Finanzberater) den Hebel ansetze. Das hat die Politik auch versucht, aber nur halbherzig. Das neueste „Regulierungsmonster“, das auf uns zukommt, heisst „Wohnungsbau-Richtlinie“. Ich habe in den letzten 30 Jahren über 1.500 Baufinanzierungen mit einem Volumen von über 200 Millionen Euro an diverse Banken vermittelt bzw. betreue diese. Da wäre der erste noch zu finden, der nicht weiss, dass man ein Darlehen auch zurückzahlen muss, bzw. dass sich während der Darlehenslaufzeit nach Ablauf der Festschreibung auch die Zinsen ändern können. Ich befürchte aber, dass auch dieses Geschäft künftig „tot reguliert“ wird, bzw. freie Berater, die hier ein für den Kreditsuchenden durchaus sinnvolles Geschäftsmodell umsetzen, die Lust verlieren sich weiter in diesem Bereich zu engagieren. Neben der Politik gibt es für mich eine weitere Gruppe von Hauptschuldigen für diese Entwicklung. Die „Prozess-Hansel“. In unserem Land gibt es eine zusehends wachsende Zahl von Leuten, die definitiv über Chancen und Risiken aufgeklärt wurden, aber wenn die Chance ausbleibt und das Risiko eintritt, dann zum Anwalt rennen und klagen. Wenn’s läuft wird der Gewinn eingesteckt und wenn es mal nicht so läuft, was im Leben dazu gehört und immer mal wieder vorkommt, wird geklagt. Und es gibt in diesem Land anscheinend auch immer mehr Gerichte, die diese Strategie noch fördern. Wer mit seiner Anlage mehr als den risikolosen Zins (der derzeit bei NULL liegt) erzielen will, muss zwischenzeitlich ggf. Verluste in Kauf nehmen. Und wenn die Zinsen in den letzten 10 Jahren gestiegen (anstatt gesunken) wären, hätte wahrscheinlich kein einziger Kreditkunde seine Bank wegen einer falschen Widerrufsbelehrung verklagt. Alle, die das gemacht haben (inklusive ihrer anwaltlichen Gehilfen), sind für mich Egoisten  (das ist noch die vornehme Bezeichnung), die sich auf Kosten der Allgemeinheit versuchen einen Vorteil zu verschaffen. Und den „Salat“ (in Form der neuen Wohnungsbaurichtlinie) haben jetzt alle auf dem Tisch. Und am Ende des Tages haben alle (außer der Papierindustrie) nur Nachteile aus dieser Entwicklung.