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Der „arme“ Präsident und sein Geldgeber

16 Dezember 2011

Nach dem überraschenden Rücktritt von Horst Köhler im vergangenen Sommer, der darauf folgenden doch etwas holprigen Wahl seines Nachfolgers Christian Wulff, geriet dieser im Laufe der Woche wegen eines privaten Darlehensgeschäfts eher ungewollt in die Schlagzeilen. Zu Zeiten eines Gustav Heinemann oder Walter Scheel war das Amt des Bundespräsidenten – obwohl „offiziell“ das höchste Staatsamt in unserer parlamentarischen Demokratie – doch eher mit dem Image eines „Frühstücksdirektors“, der die ihm vorgelegten Gesetze einfach nur abnickt, behaftet. Bundespräsidenten gerieten zu jener Zeit höchstens durch Gesangsdarbietungen („Hoch auf dem gelben Wagen“) oder durch ausgedehnte Wanderungen (Carl Carstens) in den Fokus der Öffentlichkeit. Bei Christian Wulff, konnte man doch berechtigte Hoffnung haben, dass er alleine aufgrund seines Alters (immerhin ist er mit Abstand der jüngste aller bisherigen Bundespräsidenten) sich aktiv zu aktuellen Themen einbringt.

Obwohl ich schon bei seiner Kandidatur, zu der er „sanft“ von seiner Partei gedrängt wurde, das Gefühl nicht los wurde, das „uns Angie“ da nach Roland Koch einen weiteren Rivalen, der ihr auf Dauer gefährlich werden konnte, elegant „weggelobt“ hatte. Ich hatte die Gelegenheit Christian Wulff noch in seinem Amt als niedersächsischer Ministerpräsident anlässlich eines Treffen des „Limburger Kreises“ persönlich kennen zu lernen und für mich war das von Auftreten, Rhetorik und vor allem Sach-Kompetenz einer der fähigsten Politiker, die es in unserem Land gibt. Um so unverständlicher ist es für mich, wie er sich jetzt in eine solche Situation hinein manövrieren kann. Im Kern geht es um zwei Dinge. Er hat sich bei der Frau eines väterlichen Freundes für einen privaten Immobilienkauf Geld geliehen. Das ist an sich nicht verwerflich. Aber auf die im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in einem anderen Zusammenhang gestellte Frage, ob es geschäftliche Verbindungen zum Ehemann seiner Darlehensgeberin gibt, hat er mit „nein“ geantwortet. Und dann zu argumentieren „nach der Frau hat mich ja keiner gefragt“ ist einfach nur billig. Der für mich ganz entscheidende Punkt ist allerdings die Frage, ob die Darlehensgeberin oder ihr Ehemann in irgendeiner Form eine Gegenleistung, die über die Zinszahlung in Höhe von 4% hinaus ging, erhalten haben. Hier muss Christian Wulff schnellstens Stellung beziehen. Und als Bundespräsident hat er da sogar noch ein Stück mehr Vorbildfunktion als ein „normaler“ Parlamentarier. Dass sich die farblich anders orientierten Politiker jetzt echauffieren kann man getrost in die Abteilung „wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein“ einordnen. Da hat jede, aber wirklich auch jede Partei ihr Päckchen zu tragen. Was mich allerdings mindestens genauso ärgert, ist die Argumentation, der Darlehensgeber lebe aus „gesundheitlichen Gründen“ in der Schweiz. Ich kann ja verstehen, dass sich der eine oder andere in diesem Land über die hohen Steuersätze derart aufregt, dass das sogar zu Herzproblemen führen kann? Aber reden wir mal Deutsch: Faktisch ist das nichts anderes als ein Steuerflüchtling und das macht die ganze Geschichte natürlich noch eine Spur brisanter. Ich wünsche unserem Bundespräsidenten, dass er in dieser ganzen für ihn unglücklichen Situation Rückgrat zeigt und den Mut hat, auch Fehler einzugestehen. Und wenn er das nächste Mal ein Haus kauft, kann er mich gerne anrufen. Er hat ja ein geregeltes Einkommen und da dürfte es keine Schwierigkeit darstellen, ihm dann das Geld – ganz auf dem üblichen Weg  – bei einer Bank zu besorgen. Und dank der derzeit niedrigen Zinsen sogar 1,5% günstiger als bei seinem väterlichem Freund. Und der hätte eigentlich für ihn in dieser Situation mitdenken müssen…