Wohin mit „Paul“? Börse oder Casino?

19 Juli 2010 von Max Kommentieren »

Nachdem das „Tintenfisch-Orakel“ namens „Paul“ auch bei den beiden letzten WM-Spielen den richtigen Sieger vorhergesagt oder besser gesagt, die richtige Muschel aufgegessen hatte, stürzte dies den englischen Statistik-Professor David Spiegelhalter von der altehrwürdigen Universität in Cambridge in tiefe Depression.

„Diese Krake ist dabei mein Lebenswerk zu zerstören“ wird der Zahlenexperte in der „Times“ zitiert. Aber mal ganz der Reihe nach:

Die Wahrscheinlichkeit von 8 Spielen in Folge den Sieger richtig vorherzusagen liegt mathematisch exakt bei 0,39%, d.h. durchschnittlich schafft man das in knapp 4 von 1.000 Versuchen. Auch wenn man gar keine Ahnung vom Fussball hat, wovon man im Fall „Paul“ – seine Fans mögen mir das verzeihen – allerdings zu 100% von ausgehen kann.

Wenn man allerdings die theoretische Möglichkeit des Remis noch einpreist, wird die Wahrscheinlichkeit 8 Treffer hintereinander zu erzielen, deutlich nach unten korrigiert.

Von den insgesamt 64 WM-Spielen stand es bei 17 Spielen nach 90 Minuten unentschieden, d.h. knapp 26% oder mehr als jedes 4. Spiel fand (zumindestens in den Gruppenspielen) keinen Sieger. Berücksichtigt man diesen Faktor noch bei der Trefferwahrscheinlichkeit sinkt diese auf 0,034%, d.h. in 10.000 Fällen passiert das 3-4 Mal.

Das ist dann in der Tat ein sensationelles, aber eben kein unmögliches Ergebnis und schon gar kein Grund sich als Statistik-Professor einen neuen Job zu suchen.

Und letztendlich ist die Einpreisung einer niedrigen, aber dennoch möglichen Wahrscheinlichkeit, der Grund dafür, daß wir alle möglichst einer geregelten Arbeit nachgehen sollten, denn sonst könnte man ja mit der alten „Ich setz auf Schwarz und wenn Rot kommt, verdopple ich meinen Einsatz“-Taktik sämtliche Casinos dieser Welt sprengen.

Wie sagte schon der legendäre Trainerfuchs Sepp Herberger: „Die Leute gehen zum Fussball, weil Sie nicht wissen, wie es ausgeht.“ und jeden Tag gibt es auf der ganzen Welt zig Leute, die desillusioniert ein Casino verlassen, weil die Serie gegen Sie einfach so lange gedauert hat, bis der letzte Schein auf dem Spieltisch lag.

Aber ich kann dem Statistik-Professor aus dem Mutterland des Fussballs auch etwas Positives mit auf den Weg geben. Sein Job ist nämlich für Leute, die sich mit Geldanlagen beschäftigen, Gold wert. „Paul“ hat nämlich im Prinzip bei jedem Tipp „alles oder nichts“ gespielt, eine Strategie, die bei einer vernünftigen Geldanlage nichts zu suchen hat.

Wenn ich nämlich 100% verloren habe, habe ich sämtliche Gewinnchancen für immer und ewig hinter mir gelassen und selbst bei 50% Verlust braucht man schon eine Verdopplung seines Kapitals, um den ursprünglichen Einsatz wieder zu erreichen.

Bei allem was sich abseits von Festzinsanlagen bewegt (und da gibt es leider derzeit nur Minizinsen), ist die richtige Analyse von Eintrittswahrscheinlichkeiten der Schlüssel zum Erfolg.

Was ist besser ? 90%-ige Wahrscheinlichkeit 6% Ertrag im Jahr zu erzielen oder mit einer 100%-igen Wahrscheinlichkeit sich mit 2% p.a zufrieden zu geben, oder lieber eine 20%-ige Wahrscheinlichkeit 15% p.a. zu erzielen aber gleichzeitig eine 15%-ige Wahrscheinlichkeit des Totalverlusts ?

Die richtige Balance aus Chance und Risiko zu finden, ist in der heutigen Zeit, auch für sogenannte „Finanzexperten“ manchmal gar nicht so leicht. Aber die Wahrscheinlichkeitsrechnung hilft dabei, weil Sie vor falschen Emotionen wie Angst und Gier schützt. Gerade, wenn man sich der heutigen Zeit Anlageergebnisse der letzten 10 Jahre anschaut. Mit Gold konnte man 15% p.a. verdienen, mit DAX-Aktien hat man 1% p.a. draufgelegt. Ist es per Stand heute eine gute Idee Gold zu kaufen ?

Bevor wir jetzt den „Paul“ belästigen und ihn zwischen DAX und Gold entscheiden lassen…das letzte Mal hatten Aktien solche schlechten 10 Jahres-Werte im Sommer 1982. Vielleicht weiß ja der ein oder andere noch, was danach passiert ist…